Goldmarie auf Wolke 7
wurde feuerrot. Ich war noch nie zuvor in einer vergleichbaren Situation gewesen und hoffte, dass ich es auch nie, nie wieder sein würde. »Und? Wie war’s? Hat er dich geküsst? Habt ihr, habt ihr womöglich …« Anstatt den Satz zu Ende zu sprechen, griff Niki nach dem Locher, mit dem sie zuvor die Bankunterlagen bearbeitet hatte, und warf ihn mit voller Wucht gegen die Wand. Der Locher sprang in zwei Teile, der Boden war augenblicklich übersät mit runden bunten Papierschnipseln. Gut, dass gerade kein Kunde im Laden war! »Was ist denn hier los?«, rief Nives entsetzt und funkelte Niki an. »Ich dachte, du hättest deine Wutanfälle mittlerweile ein bisschen besser unter Kontrolle?!«
»Aber nur solange ich nicht verarscht werde«, kreischte Niki und ich hatte plötzlich das Gefühl, eine vollkommen andere Person vor mir zu haben, so wie bei Jekyll und Hyde. Oder bei Topmodel Naomi Campbell an schlechten Tagen.
»Ich möchte, dass du sofort deine Sachen packst und nach Hause gehst. Komm erst wieder, wenn du dich beruhigt hast. Ich dulde keine solchen Ausbrüche in meiner Nähe, egal was passiert ist. Haben wir uns verstanden?«, fragte Nives mit strenger Stimme.
»Das ist alles meine Schuld«, versuchte ich, Niki zu verteidigen. Was hatte ich da bloß angerichtet? »Ich habe eine Einladung von jemandem angenommen, den sie sehr mag … und …« »Noch ein Wort und du fängst dir eine«, stieß Niki wütend hervor und einen kurzen Moment lang befürchtete ich, sie würde sich wirklich auf mich stürzen. »Ich sage es zum letzten Mal: Geh und überleg daheim, was du tun kannst, um dich wieder in den Griff zu bekommen. Vorher bist du hier nicht mehr willkommen.« Das war genau die strenge Seite, die ich von Anfang an bei Nives gespürt und vor der ich enormen Respekt hatte. Niki gab klein bei, schnappte sich ihre Jacke und verschwand ohne einen Gruß. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und mit einem Mal war es totenstill. »Lassen Sie mich das bitte erklären«, bat ich flehentlich, doch Nives winkte ab. »Für heute habe ich ehrlich gesagt genug gehört. Kümmere dich bitte um den Laden, alles Weitere wird sich finden.«
Ich schaute ihr verzweifelt hinterher, als sie in den hinteren Räumen verschwand. Was auch immer jetzt geschah, die Geschichte mit Dylan stand jedenfalls unter keinem guten Stern. Ich hätte meinem Instinkt vertrauen und die Finger von ihm lassen sollen. Warum musste ich mich auch ausgerechnet in ihn verlieben, wo doch Morten und Sören sich so um mich bemühten und in den vergangenen Tagen immer wieder bei mir angerufen hatten, um mich ins Kino oder zu einer Party einzuladen. Aber nein, ich musste ja unbedingt mit dem Feuer spielen und riskieren, es mir ausgerechnet mit den Menschen zu verderben, die mir, seit ich hier jobbte, so sehr ans Herz gewachsen waren. Du bist eine egoistische, dumme Pute und hast es nicht besser verdient, schimpfte ich mit mir selbst und weinte mir dann vor Selbstmitleid halb die Augen aus dem Kopf.
31.
»Ihr seht so traurig aus, ist etwas passiert?« Delba musterte ihre Herrin, die gedankenverloren auf und ab ging. »Ich habe einen Teil von Niki wieder an die Dämonen verloren«, flüsterte diese und setzte sich schließlich erschöpft auf ihren goldenen Schemel. »Sie ist schon wieder so voller Wut, voller Angst. Es ist ein Elend!«
Delba holte sich ein silbernes Stühlchen und setzte sich neben die Feenkönigin. »Ihr habt sie nicht verloren, sie ist nur ein wenig vom Pfad der Läuterung abgekommen. Es ist sehr schwer, sich zu ändern, das habt ihr doch selbst immer gesagt. Aber was ist denn überhaupt da unten vorgefallen?«
Nachdem die Königin vom Streit zwischen den beiden Mädchen berichtet hatte, sagte Delba eine Weile gar nichts. Diese Geschichte erinnerte sie schmerzhaft daran, wie sie selbst ihre große Liebe an eine andere verloren und wie lange es gedauert hatte, bis der Schmerz einigermaßen erträglich geworden war.
Damals war sie ebenfalls voll von leidenschaftlichem Hass gewesen, bis die Königin sie als Dienerin im Gefolge der holden Priesterinnen aufgenommen und ihr einen Weg aufgezeigt hatte, mit den dunklen Gefühlen in ihrem Herzen und ihrer Seele fertig zu werden. Erst danach war sie selbst zur Priesterin geweiht geworden und später zur engsten Vertrauten der Herrscherin über das Volk der Feen. »Aber wer wird Niki nun im Laden ersetzen?«, fragte Delba, denn gerade im Winter galt es, viele, viele Aufgaben zu bewältigen.
Die
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