Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldmarie auf Wolke 7

Goldmarie auf Wolke 7

Titel: Goldmarie auf Wolke 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
Vom Netzwerk:
was ich Samstagabend über ihn herausgefunden hatte. »Sagt dir der Begriff Rauhnächte zufällig etwas?« Zuerst wollte ich erneut den Kopf schütteln, doch dann erinnerte ich mich wieder an das Buch, das ich neulich bei Traumzeit gefunden hatte. »Hat das was mit der Andreasnacht zu tun?«, fragte ich – eher zögerlich – denn mein Bedarf an Zauber und Magie war für die nächsten hundert Jahre auf alle Fälle gedeckt. »Die Andreasnacht gehört im weitesten Sinne auch dazu, aber streng genommen beginnen diese zwölf heiligen Nächte mit dem 21. Dezember, der Wintersonnwende. Der Eintritt in diese magische Phase des Jahres bietet uns ungeahnte Möglichkeiten.« Dr. Hahns Stimme nahm einen sehr feierlichen Klang an. »In diesen Tagen können wir das Orakel befragen, sind empfänglich für das Unsichtbare und Geistige, können uns von alten Themen befreien und den inneren Kelch unserer Seele mit neuer Energie anfüllen.« Ein Leuchten lag auf dem Gesicht meines Therapeuten und ich befürchtete einen Moment lang, er würde gleich abheben, auf seinem orientalischen Praxisteppich durch die Luft fliegen und durch das Fenster entschwinden. »Was muss man denn tun, wenn man sich von alten Themen befreien will?«, fragte ich, nun doch ein bisschen neugierig geworden. Wie gern würde ich Dylan und all die schmerzhaft schönen Erinnerungen für immer aus meinem Gedächtnis löschen. Dr. Hahn wischte mit dem Zeigefinger auf seiner Fliege herum, als wolle er sie von den zahllosen weißen Tupfen befreien, die darauf gestickt waren: »Du kannst mithilfe von Haselzweigen Energiefelder reinigen, ein Räucherritual durchführen, deine Engel um Segen bitten, eine Schamanenreise unternehmen oder einfach nur singen und tanzen, bis du das Gefühl hast, wieder mit dir im Reinen zu sein.« Wenn das so war, konnte ich auch einfach morgen Abend Coyote Ugly schauen. Laut antwortete ich »Danke für die Tipps, ich denke mal drüber nach.« Nachdem ich mich von Dr. Hahn verabschiedet hatte, wurde ich im Flur von Jorinde Machandel abgefangen. »Ich wünsche dir jetzt schon mal frohe Weihnachten, mein Goldstück, denn wir sehen uns ja erst im neuen Jahr wieder. Hier habe ich noch eine Kleinigkeit für dich, vielleicht hast du ja Spaß daran.« Verwundert – und auch ein bisschen beschämt, weil ich kein Geschenk für die sympathische Sprechstundenhilfe hatte – nahm ich einen in Goldfolie verpackten Gegenstand entgegen. Jorinde zwinkerte und drohte mir spielerisch mit dem ausgestreckten Zeigefinger. »Aber erst an Heiligabend auspacken!« Ich fiel ihr vor Freude um den Hals und beschloss, ihr bei der nächsten Gelegenheit einen Strauß Blumen mitzubringen. Wir plauderten noch einen kurzen Moment über dieses und jenes und dann wünschte ich ihr schöne Weihnachtsferien. Die Schule endete am Freitag und würde erst am Tag nach den Heiligen Drei Königen – der letzten Rauhnacht – wieder beginnen. Kaum war ich auf der Straße und hatte mein Handy eingeschaltet, fand ich eine Nachricht von Nives auf meiner Mailbox vor. Sie fragte, ob ich außerplanmäßig am Mittwoch anstelle von Donnerstag arbeiten könnte. Ich rief zurück und ließ über Delia ausrichten, dass ich pünktlich nach der Schule im Laden sein würde. Dann flanierte ich gedankenverloren den Mühlenkamp hinunter, Richtung Alster. Ich hatte keine Lust, nach Hause zu fahren, sondern wollte lieber noch ein bisschen am Wasser entlangspazieren, über das sich heute eine dunkle Winternebeldecke gelegt hatte. Vielleicht würde ich noch ein paar Enten und Blesshühner antreffen, die bei diesen Temperaturen bestimmt froh waren, wenn man ihnen ein bisschen Brot gab. Also ging ich beim Bäcker vorbei, kaufte ein Baguette und steckte es mir unter den Arm. Dann marschierte ich zügig weiter, um nicht auszukühlen. Seitdem ich Dylan verloren hatte, wurde mir auch wieder schneller kalt. Als ich den Anleger Uhlenhorster Fährhaus erreichte, hatte ich bereits ganz klamme Finger und bereute meinen spontanen Ausflug. Bibbernd stellte ich mich in das schützende Anlegerhäuschen, in dem sich der Wind nicht so stark verfing, und zerteilte das Brot in kleine Stücke, die ich ins Wasser werfen wollte. Nur wenige Möwen zogen ihre Kreise über dem Fluß, doch ich wusste sehr genau, dass ich nur einen Krümel in die Alster zu werfen brauchte und im Nu würde es von Seevögeln nur so wimmeln. »Hast du auch ein Stück für mich übrig?«, fragte ein alter Mann mit Augenklappe, der mit einem Schäferhund

Weitere Kostenlose Bücher