Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldmarie auf Wolke 7

Goldmarie auf Wolke 7

Titel: Goldmarie auf Wolke 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
Vom Netzwerk:
mit grauer Schnauze den Bootsteg betreten hatte und mich nun erwartungsvoll ansah. Er roch nach Whiskey und Zigaretten und kam mir irgendwie bekannt vor. »Es ist nicht für mich, sondern für Herrn Hund«, fuhr der Fremde fort und zeigte auf seinen Liebling, der mich schwanzwedelnd aus dunkelbraunen Augen anschaute. Ich brach ein etwas größeres Stück ab und reichte es dem wolfsähnlichen Tier. Es verschlang das Brot mit einem Happs und leckte mir anschließend dankbar die Hand. »Kann es sein, dass wir uns schon mal auf der Reeperbahn begegnet sind?«, fragte ich, neugierig zu erfahren, ob ich mit meiner Vermutung recht hatte. Der Mann verzog das alte, faltige Gesicht zu einem Lächeln. »Ich habe bereits bei unserer ersten Begegnung gesagt, dass du etwas ganz Besonderes bist. Und mein Eindruck hat mich nicht getäuscht. Sag, was machst du hier? Hat ein Junge dir das Herz gebrochen oder warum bist du alleine unterwegs anstatt mit deinem Liebsten?«
    »Er hat es nicht direkt gebrochen, aber er hat mir sehr wehgetan, indem er mich angelogen hat«, hörte ich mich zu meiner eigenen Überraschung sagen.
    »Angelogen, oder nur nicht die Wahrheit gesagt?«
    »Gibt es da einen Unterschied?«, fragte ich verwirrt. Der alte Mann kratzte sich an seinem Bart und nahm seinen Hund kürzer an die Leine, weil eine Taube auf dem Holzsteg herumspazierte. »Wie lange kennst du ihn denn schon?«, fragte er weiter. Ich rechnete in Gedanken nach. Ein Teil von mir hatte das Gefühl, Dylan schon vor Jahren begegnet zu sein, der andere weigerte sich bereits, sich an seine Existenz zu erinnern. Schließlich war ich mittlerweile geübt darin, Menschen loszulassen, die mir alles bedeutet hatten. »Einige Wochen«, antwortete ich und sah, wie mein Atem eine kleine Wolke bildete. Verwundert rieb ich mir die Augen. Die Wolke hatte die Form eines Herzens. Das gesunde Auge des alten Mannes folgte meinen Blick und er lächelte. »Erzählst du denn allen Menschen, die du erst so kurz kennst, die volle Wahrheit über dich?« Allmählich verstand ich, worauf er hinauswollte. Dylan hatte mich tatsächlich nicht angelogen, sondern nur nicht alles erzählt. »Menschen haben meist ihre Gründe, wenn sie nicht gleich mit offenen Karten spielen«, fuhr er fort und schaute in die Ferne. »Sie sind vorsichtig, wollen erst einmal abwarten. Sie schützen sich und eventuell auch andere, indem sie sich und ihre Persönlichkeit erst nach und nach enthüllen. Das Leben wäre ja auch langweilig, wenn wir immer alles sofort erfahren würden, nicht wahr?« Ich schmunzelte, weil der alte Mann recht hatte. Wer weiß, vielleicht hatte ich Dylan ja auch damit verschreckt, was ich über meinen Vater erzählt hatte. Ich versuchte, mir das Gespräch an jenem Abend im Central wieder in Erinnerung zu rufen. Hatte ich nicht sogar behauptet, dass ich niemals mit jemandem zusammen sein könnte, der Musiker war?
    Mit einem Schlag wurde mir heiß und kalt.
    Ich dumme Kuh! Warum war ich da nicht selbst draufgekommen?
    Dylan hatte sich einfach nur erschreckt und dann die Flucht ergriffen. Ich wollte dem Mann gerade für diese sensationelle Erkenntnis danken, als er und sein Hund auf einmal wie vom Erdboden verschluckt waren. Verdutzt schaute ich mich um, doch es war weit und breit niemand zu sehen. Und auch mein Baguette sah so aus, als hätte ich nie das Stück für Herrn Hund abgebrochen …

47. Lykke Pechstein
    (Dienstag, 20. Dezember 2011)
    Dear Diary,
    oh Mann, was soll ich jetzt davon halten?
    Sören und ich waren vorhin auf dem Schlachthof, eine echt gruselige Aktion. Da stank es überall nach totem Fleisch und kalt geronnenem Blut. Brrr. Ich denke momentan ernsthaft darüber nach, Vegetarierin zu werden. Sören würde das sicher toll finden, denn er isst seit seinem sechsten Lebensjahr weder Fisch noch Fleisch (Lebt trotzdem noch, und sieht nebenbei bemerkt auch noch HAMMA aus!!!). Aber zurück zum eigentlichen Thema: Obwohl ich dachte, es würde schwierig werden, haben wir den Lagerraum von Ludmilla ziemlich schnell gefunden. Er liegt im Souterrain und man konnte nur sehr schwer einen Blick reinwerfen, trotz der Taschenlampen, die wir dabeihatten. Was wir aber sehen konnten, war, dass die Backzutaten, die nicht in Kartons lagerten, mit schwarzen Tüchern bedeckt waren. Nur eine einzige Packung hat herausgeschaut – und was soll ich sagen? Das Mehl sah verdammt nach Discounter aus und nicht nach hochwertiger Bio-Ware! Es scheint also, als würde sich mein Verdacht

Weitere Kostenlose Bücher