Goldmond
einen, der seine Hand heilen konnte. Lange hatte Sinan geglaubt, dieser Mann sei sein Feind.
Doch Sinan wusste, so sehr auch Telarion Norandar sein Widersacher sein mochte, die größeren Gegner waren die, die alles beherrschen wollten, zum Nachteil aller anderen und besonders der Menschen. Sie waren es, gegen die er kämpfen wollte, gegen die er als Sohn des größten unter den Menschen kämpfen musste.
Und wenn dabei der Feind seines Feindes zu seinem Freund würde, würde er einen Weg finden, um das zu erreichen.
Kapitel 8
»Ys aber weinte, als sie sah, dass sie mit dem Siegel ihren Geliebten und alles, was ihn ausmachte, aus der Welt entfernt hatte. Er war freiwillig gegangen, für sie und alles, was sie gemeinsam erreicht hatten, und ebenso für die Geschöpfe der Mondzwillinge, denn auch ihnen hatte er das Leben und seine Gaben geschenkt. Er weinte, als er die Welt verließ, die er liebte, und versprach, dass er einst wiederkehren würde. Doch Ys wusste, dass sie ihn für lange Zeit, eine Ewigkeit unter den Völkern, nicht wiedersehen würde. Sie nahm das Siegel, das aus ihr selbst gemacht und von Syth gesegnet war, und verließ die Welt. Das Siegel nahm sie mit sich und bewahrte es für den Tag auf, an dem die Zeit gekommen sein würde, es zu zerstören.«
Von den Kriegen der Elben und Menschen
Vierte Rolle der Schriften des Klosters der Weisen Zwölf
N och einmal tauchte Telarion seine Hände in den Bach, schöpfte Wasser und trank. Das Wasser war eisig und erfrischte ihn nach der Wanderung des heutigen Tages. Doch es schmeckte auf eine seltsame Art metallisch und erinnerte ihn so daran, dass er sich mitten im Gebirge befand. Selbst das Wasser war hier durchtränkt vom Element der Erde. Und von Feuer, dachte er unwillkürlich, denn nun brachen sich die letzten Strahlen der Weißen Sonne auf den Fluten des Bachs. Freude erfasste ihn, als er erkannte, dass sich in diesem Gewässer die Elemente und Magien vereinigten. Wasser, das nach der Erde schmeckte, der es entsprang, das Licht aufnahm und so hoch oben im Gebirge dem Element Luft nahe war. Beinahe andächtig füllte er die Wasserschläuche, die er mitgebracht hatte.
Er richtete sich auf und streckte sich. Dank des eisigen Wassers fiel es ihm leichter, so hoch oben über der Welt Atem zu holen, obwohl die Luft hier dünner war als in den Tälern. Dieser Eindruck, so wusste er, würde sich besonders für seine Reisegefährtin noch verstärken, während er als Windmagier es leichter ertrug. Doch die Reise zum Heiligtum der Ys war nicht mehr lang. Sie würde es schaffen.
Er erhob sich, um zu dem Rastplatz zurückzukehren, den er und Sanara für die Nacht ausgesucht hatten; eine Grasnarbe unterhalb eines Felsens, vor der ein paar Schwarzbeerenbüsche wuchsen. Sie wären geschützt vor Blicken etwaiger Verfolger und konnten sogar ein Feuer entzünden. Die Quelle war nicht weit davon entfernt, doch fern genug, um mit ihrem Rauschen nicht die Stille zu durchbrechen, die sie umgab.
Telarion hatte die Grasnarbe noch nicht erreicht und kletterte gerade über die Wurzel eines abgestorbenen Qentars, die aus einem Heidefeld herausragte, als er ein Summen hörte. Er zuckte zusammen und verschwand hinter der Wurzel.
Doch nach einigen Herzschlägen, die er angespannt gelauscht hatte, entspannte er sich und stand erneut auf, um die Quelle des Summens zu betrachten.
Es war seine Reisegefährtin. Sie kniete vor dem abgestorbenen Stamm des Baumes, dessen Wurzeln er hatte überklettern wollen. Wind und Wetter hatten den einst rotbraunen Stamm grau gefärbt, sodass er Sanara in ihrer grausilbrigen hataka nicht sofort gesehen hatte. Jetzt blieb er stehen und betrachtete das Bild. Sie sang leise eine fröhliche und doch ruhige Melodie, ein Lied, wie man es Kindern vorsingen mochte, die des Abends nach einer Geschichte zu Bett gebracht wurden. Doch nicht nur ihr Gesang war es, der in seinen Ohren klang, es war auch das Summen der Bienen, die zornig darüber waren, dass ein so gewaltiges Wesen in ihren Stock einbrach und die Waben voller Honig raubte.
Telarion rührte sich nicht. Als Elb fiel es ihm schwer zu erfassen, dass Menschen mit ihren Liedern und Melodien in der Lagewaren, Tiere zu beeinflussen. Diese Gabe war nicht so umfassend, wie es die Pflanzengabe der Elben war. Das leuchtete dem Elbenfürsten ein. Ein Wesen, das selbstständiger war und mit größerer Magie begabt als eine Grashalm, ein Strauch oder selbst ein Baum, erforderte von einem Kind der Völker
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