Goldmond
sondern in Schnee gegriffen hatte.
Ihr Gefährte wandte sich nicht um, als sie herankam. Er schien keinen Gruß zu wünschen, und so respektierte sie den Abstand, den er damit herstellte. Das bereitete Sanara Kummer. Seit drei Tagen war Telarion zurückhaltender geworden, als es die ersten Tage ihrer Reise hatten vermuten lassen. Auch gestern hatte er sie noch bis zum Untergang der Roten Sonne vorangetrieben, eine Zeit, die in den Tagen davor ihnen beiden vorbehalten gewesen war.
Sanara seufzte unhörbar und kauerte sich am Feuer zusammen, dicht neben ihm, gerade, als er mit einigen unverständlichen Worten Kräuter ins Schneewasser warf. Der Kessel hing kurz über den Flammen, die in der dünnen Luft nicht hoch brannten, und so schmolz der Schnee schnell.
Ihr kam der Gedanke, dass sie gut darauf hätte verzichten können, das Siegel zu finden und die Welt zu retten, und ließ sich nicht verscheuchen.
Was ging sie der Frieden an, den die Welt brauchte! Sie war nur ein Geschöpf. Eines von vielen, und wie jedes Geschöpf suchte auch sie nach ihrem eigenen Glück. Sie wusste, in diesem Mann hatte sie es gefunden.
Die Welt dagegen und alles darin würde immer weiter existieren, ob sie nun dieses kleine Glück behielt oder nicht.
Zorn auf die Ys erfasste sie. Wie konnte ein Schöpfergeist, eine Kraft, der es gegeben war, eine Welt wie diese zu erschaffen, einfach hingehen und einem schwachen, fehlbaren Wesen wie ihr die Verantwortung für ein solch gewaltiges Unterfangen übertragen?
Doch die Wut fiel in sich zusammen und machte Stolz Platz. Stolz, dass sie es war, die ausgewählt worden war, an der Seite dieses Elbs zu erreichen, was vor ihr niemand geschafft hatte. Gleichzeitig wusste sie, dass vielleicht genau das der Grund war, warum gerade ihr Glück nicht von Dauer sein konnte.
Herber Duft breitete sich aus.
Sanara warf ihrem Gefährten einen Seitenblick zu. Er erwiderte ihn. Die Zärtlichkeit darin ließ nichts zu wünschen übrig, kurz streckte er auch die Hand aus, um ihre Wange zu berühren, doch entgegen aller Hoffnungen, die sie hegen mochte, lächelte er nur kurz und sah dann wieder in die Flammen.
Die Weiße Sonne war mittlerweile über den gegenüberliegenden Bergkamm gestiegen und färbte den Himmel blassblau und gelblich.
Sie schwiegen, bis der Kräutersud eine leicht grünliche Farbeangenommen hatte. Sanara hatte sich die Decke um die Schultern gezogen, nun freute sie sich auf das Frühstück, in das Telarion noch ein wenig von dem grob gemahlenen Getreide hineingab, das ihnen die Weisen als Proviant mitgegeben hatten. Es würde herb schmecken, doch vom Honig, den Sanara vor ein paar Tagen gesammelt hatte, war nichts mehr übrig. Aber es würde warm sein und sie stärken. Die Wanderung war anstrengend.
»Wie weit werden wir heute gehen?«, wollte Sanara wissen.
»Wir müssen die Höhle der Pilger erreichen. Dort ist Feuerholz, sagte Abt Morotand, es liegt dort für die wenigen Pilger, die das Heiligtum besuchen. Auch wenn der Seleriad nicht mehr auf dem Gebiet der Weisen liegt, versorgen sie diese Höhle doch regelmäßig. Wenn wir heute noch bis dorthin kommen, können wir morgen das Heiligtum erreichen.« Telarion wies zu einem Gipfel, östlich von ihnen. Er war schneebedeckt und schroff, nur wenige schwarze Flecken zeigten den Fels darunter.
Sanara war noch nie so weit oben im Gebirge gewesen. Zweifel überfielen sie, ob sie es überhaupt schaffen konnte. Sie besaß nicht die Kraft des Elbenfürsten vor ihr, doch sie vertraute darauf, dass er als Verweser eines Königreichs und Heermeister in der Lage war, ihre Stärke und ihr Können richtig einzuschätzen.
Er ließ ihr nicht viel Zeit zum Essen. Obwohl er sie vor dem Aufbruch und bevor er das Feuer mit Erde und Sand erstickte für einen langen Augenblick in die Arme zog, machte er sich ohne viele weitere Worte auf den Weg.
Sanara bedauerte es. Sie fragte sich, was den Umschwung in seinem Verhalten ausgelöst haben mochte. Aber sie verstand mittlerweile, dass es wohl daran lag, dass sie dem Heiligtum und damit ihrer Aufgabe stetig näher kamen. Sie beschloss, ihn nicht darauf anzusprechen. Sie wollte in seinen Augen nicht mehr das Kind sein, als das sie sich selbst immer wieder fühlte. Sie hatte den Satz: Ich behandle Euch nur wie ein Kind, Shisani, wenn Ihr Euch wie eines benehmt! nicht vergessen.
Telarion ging gleichmäßigen Schritts, doch so langsam, dasssie ihm folgen konnte und ihn nie aus den Augen verlor. Er war ihr immer
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