Goldmond
die sich in der Mitte des Felsendoms erhob. Er vermisste die heitere Atmosphäre in der Halle, die er bei seinem letzten Besuch als so angenehm empfunden hatte.
Die Schönheit, die sich in der Hoffnung und der Erwartung auf Neues gezeigt hatte und die das Heiligtum erfüllte, schienen verschwunden. Kein Flüstern der Gebete hallte von den Wänden wider, keine Melodien, selbst das Klopfen und Hämmern derSchmiede, die in den Tiefen des Tempels immer Neues, Schönes geschaffen hatten, waren eher zu ahnen als zu hören.
Die Halle selbst war beinahe menschenleer, jeder Tritt war trotz der dämpfenden Teppiche auf der Gebetsfläche zu hören und wurde als dumpfes Echo von den gewölbten Wänden zurückgeworfen.
Trauer regte sich in Sinan angesichts der drückenden Stille.
Bei seinem letzten Mal hier war die Königin noch nicht da gewesen. Sie war einige Tage nach ihm gekommen, nur mit ein paar Männern ihrer Leibwache, angeblich, so hatte sie im Dorf verbreiten lassen, nur deshalb, weil sie zum Tempel der Tiefe hatte pilgern wollen. Hinter vorgehaltener Hand hatte man sich in der Taverne des Dorfs, in der Sinan übernachtet hatte, erzählt, dass sie den Syth um Hilfe beim Sieg über den Zaranthen bitten wollte. Doch die Zecher, berauscht vom süßen Wein, den man aus Itaya-Früchten kelterte, hatten beim Erzählen darüber gelacht.
Sinan hatte nicht mit gelacht. Er hatte Tarind zu gut gekannt und nur wenig Veranlassung zu glauben, seine Witwe könnte anders sein – trotz allem, was Ronan ihm über die Königin erzählt hatte.
Im Dorf schien man es ähnlich zu sehen. Man hatte die Königin gewähren lassen – hatte doch jeder das Recht, sich dem Schöpfergeist der Veränderung zu nähern. Es durfte niemandem verboten werden. Doch schon nach wenigen Tagen hatte sich die Stimmung mit den ersten Nachrichten vom Krieg gegen Sirakand, die sie mitgebracht hatte, geändert. Man war unwillig geworden. Sie war die Königin, sie hatte dafür zu sorgen, dass sich eine Veränderung in diesem Krieg vollzog, der nun schon so lange währte.
Wie eines der Schankmädchen des Wirts Sinan zuflüsterte, war einer der Shisans der Tiefe zu ihr gegangen und hatte sie aufgefordert, ihr Heer zurückzurufen und die Belagerung Sirakands aufzugeben. Es sei nicht im Sinne des Syth, was sie tue, denn sie erhalte den Krieg aufrecht, statt ihn zu beenden.
Doch sie hatte, so das Mädchen, dem Mann widersprochen.Erst wenn die Veränderung vollständig sei, könne der Krieg beendet werden. Sie versuchte, ihn zu überzeugen, dass ihr ein Werkzeug fehle, um das zu tun, und dass er ihr helfen könne. Doch als er sie erneut ermahnte, habe sie lächelnd geschwiegen. Dann habe der Shisan vor den Augen derer, die ihn begleitet hatten, und den elbischen Soldaten, begonnen, Wasser zu spucken und sei innerhalb weniger Augenblicke gestorben.
Die, die es gesehen hatten, waren vor Furcht verstummt.
Das Schankmädchen hatte Sinan mit großen Augen angesehen, als wünsche sie Beifall – oder vielleicht den Schutz dieses stattlichen Schmieds –, doch dieser hatte nichts gesagt.
Seither trafen mehr und mehr Elben hier ein, mittlerweile waren es über hundert. Sie waren nach wie vor den Menschen zahlenmäßig weit unterlegen, doch während sie ausgebildete Kämpfer waren, waren die Menschen Bauern und einfache Handwerker.
Als Sinan durch die schmalen Gassen des Ortes zum Tempel hinaufgegangen war, war er allenthalben auf Volk des Vanar getroffen. Sinan war dankbar für den jibahan und den darstar , die er trug. Er wusste nicht, wer von den Elben ihn in Bandothi oder auf den Heerzug nach Süden gesehen hatte und ihn vielleicht als den Schmied wiedererkannte, der dem Heermeister ein Schwert hatte fertigen sollen. Nicht nur die Elben aus Dasthuku, sondern auch aus Norad, aus Nisan und aus Hellor waren unter ihnen. Einmal glaubte Sinan sogar den Ziehbruder Telarion Norandars zu erkennen, doch er war sich nicht sicher. Die Mundessi sahen mit ihrer dunklen Haut und dem glatten, holzfarbenen Haar so fremd aus, dass sie ihm alle gleich erschienen.
Selbst ein paar Eiselben waren zu sehen, wenn sie sich auch nur des nachts und zur Weißen Stunde blicken ließen und sich tagsüber zurückzogen. Doch es spielte keine Rolle, ob die elbischen Soldaten wirklich da waren oder nicht; die Kälte, die sie mitgebracht hatten, vertrieb die Hitze der Wüste, ob man ihnen nun gegenüberstand oder nicht, und die Atmosphäre, die sie verbreiteten, bedrückte jeden Menschen
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