Goldmond
ihm lag, und wollte sich erheben. Doch die lohgelbe Gestalt der jungen Feuermagierin hatte sich von ihrer Überraschung erholt und machte Anstalten, Iram zu folgen, den sie wohl als blaugrüne Gestalt wahrnahm, deren Ränder von goldenen Flammen umrandet waren.
Doch sie kam nicht weit.
Iram hatte in der wirklichen Welt bereits den Ball aus Amethystopal genommen und in die purpurfarbenen Flammen gelegt, die dort brannten.
Die Seele Sanara Amadians schrie auf und wäre beinahe in sich zusammengesunken, doch eine unsichtbare Kraft schien sie aufrecht zu halten. Sie stöhnte auf und schwankte, so als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie wieder zu ihrem verletzten Körper zurückkehren oder lieber zum Altar gehen sollte, um die brennende Kugel dort wieder aus dem Feuer zu holen, auf dass der Schmerz nachließe.
Iram war in der Zwischenzeit wieder zum Körper der Feuermagierin zurückgekehrt. Er packte den Dolch, der nach wie vor im Leib der jungen Frau steckte, am Heft. Doch er zog ihn nicht heraus, sondern tat etwas anderes – er verwendete die dunkelmagische Klinge als Werkzeug, um den Kraftfluss, der sie verließ, zu verstärken. Während er mit einer Hand den Dolch gegen ihren – viel zu schwachen – Widerstand dort hielt, wo er war, ging Ireti jetzt auf das immer noch schwankende Seelenbild Sanara Amadians zu, das ihr mit dem Gesicht zugewandt ein paar Schritte entfernt stand.
Das Bild flackerte wie eine Flamme im Sturm. Ireti wusste, das lag an der Qual, die diese Seele empfand, und wieder keimte ein wenig Mitleid mit dem Schmerz der Feuermagierin in ihr auf.
»Was tust du mit mir?«, begehrte Sanara Amadian auf, als siebemerkte, wer auf sie zukam. »Ich kenne dich. Du bist die Königin. Der Geist, der mich plagte, als ich eine Gefangene des Königs war!«
Ireti nickte sanft. »Und ich sagte dir schon damals, dass es keinen Sinn hat, sich gegen mich zur Wehr zu setzen. Dein Schicksal ist es, mir zu gehorchen.«
Das Seelenbild richtete sich auf, doch es schwankte und flackerte weiterhin. Ireti sah, dass sich dort, wo in der geschaffenen Welt der Dolch war, nun Ranken ausbreiteten und ineinander verschlangen. Sie waren violett wie der Amethystopal, aus dem die brennende Kugel im Altarfeuer und auch das Heft der magischen Waffe bestanden. Je tiefer sich die Triebe in die Gestalt der Feuermagierin fraßen, desto größer schien ihre Qual zu werden.
Ireti kam noch näher heran, und als sie vor ihr stand, zog sie die Stirn der jungen Frau an ihre eigene. »Es tut mir leid um deinen Schmerz«, wisperte sie zwischen den Gesängen, die ihr in den Nebeln auch weiterhin Substanz verliehen. Sie hauchte der jungen Frau einen Kuss auf die Wange. »Doch dein Leid ist notwendig, um die Welt zu befrieden. Ich weiß, dass Ys dir das gesagt hat.«
Sie streckte die Hand aus, hinein in das flammende Gelb der Feuermagierin, die das Siegel der Welt in sich trug. Iretis Hand wurde heiß, heißer als alles, was sie je in ihrem Leben berührt hatte, heißer sogar als die flammenden Ranken ihres Bruders Iram, die ihre Macht über die Nebel schon so oft gestärkt hatten.
Sie sog scharf die Luft ein und riss die Hand wieder aus der Lichtgestalt vor sich. Ein wenig erschrocken ließ sie die Finger abkühlen. Anschließend wollte sie wieder nach der Marmorkugel greifen, die sich in Sanara Amadian befand. Sie legte den Kopf in den Nacken, um erneut nach ihrem Bruder zu rufen, doch der Schrei, der im nächsten Augenblick erklang, war nicht ihr eigener.
Der Ton blieb der Königin in der Kehle stecken, als sie erkannte, dass es kein Ruf des Triumphs war, der ihr Ohr erreichte. Es wareine Klage, voller Wut und Verzweiflung und Schmerz, und er war nur in den Nebeln, nicht in der wirklichen Welt hörbar.
Überrascht starrte sie die Feuermagierin vor sich an, doch sie erkannte schnell, dass es nicht Sanara Amadian gewesen war, die erneut ihre Qual hinausgeschrien hatte. Wieder erklang der Ruf, und jetzt hörte Ireti auch, dass ein Mann ihn ausgestoßen hatte.
Ihr Bruder. Sie ließ Sanara Amadian auf der Stelle los und hastete zu der blaugrünen Gestalt, die sich immer noch über den leblosen Körper der Feuermagierin beugte. Doch die vorher so leuchtende Seele ihres Bruders Iram verblasste zusehends. Das Feuer, das seiner Gestalt Form verlieh, glomm nur noch schwach und schien umgeben von Schatten, die nicht zu identifizieren waren.
Ireti versuchte, die Panik zu unterdrücken, die sie erfasst hatte. Gerade noch war das Ritual
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