Goldmond
verlor sie das Bewusstsein.
Doch Agonie und Schmerz verschwanden auch nicht, als ihre verwirrte Seele sich in ihrem erschöpften Körper wiederfand.
Er hatte das Lager der Königin fast erreicht. Telarion konnte im Licht des Silbermonds bereits die blauen Tücher der ethandins sehen, die Ireti und Iram bewohnten, ebenso die Wimpel, die darauf im Nachtwind flatterten.
Im Schatten eines Ölbaums blieb er noch einmal stehen. Erschloss die Augen und versuchte, seinen Atem zu kontrollieren. Das Feuer in ihm, das er immer noch als eigenständigen, wenn auch unentbehrlichen Teil seiner Seele begriff, loderte jetzt so heiß auf, dass es ihm die Luft nehmen wollte. Es war, als berühre er, der Heiler, einen fieberkranken Dunkelmagier, einen Menschen, der zu viel Erde und Feuer in sich trug und der sich eigentlich schon jenseits jeder Möglichkeit befand, seine Seele wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Telarion wusste, so konnte er der Königin nicht gegenübertreten. Ihr, die ihm mit eisiger Berechnung alles genommen hatte – Familie, Titel, Bruder und nun die Geliebte, ja, die Seele selbst –, würde nur mit gleicher Kälte eine Niederlage begreiflich zu machen sein.
Er würde ihr alles nehmen müssen. Die Vorstellung, dies zu tun, erfüllte ihn mit wilder Vorfreude. Telarion musste sich bremsen, um sich nicht in den Bildern zu verlieren, die sein erregter Geist ihm vorgaukelte – wie er sie aus ihrem Zelt zerren und ihren Soldaten und auch den Menschen, die ihr geholfen hatten, zeigen würde, dass sie den Ränken einer Dunkelzauberin aufgesessen waren.
Wieder sog er die kühle Nachtluft in die Lungen. Er musste sich beruhigen.
Seine Finger umklammerten das Heft des kostbaren daikons , das er erst so kurze Zeit besaß. Die Festigkeit der Waffe, der weiche Stoff, mit dem Sinan den Griff umwickelt hatte, das Gewicht der Klinge – all das war neu und gleichzeitig vertraut und schenkte Telarion die Sicherheit, dass er Ireti heute Nacht die Macht würde nehmen können, die sie an sich gerafft hatte.
Kurz dachte er an Sanara. Doch er verdrängte den Gedanken an die Geliebte seiner Seele beinahe sofort wieder, so sehr war er mit der Angst um sie behaftet. Die Vorstellung, wie sie, von goldenen Bändern gefesselt, in Iretis ethandin liegen mochte, wie Ireti sich Sanaras Gedanken nahm, ihre Kraft, ihre Magie, und wie sehr Sanara, die Stolze, darunter leiden mochte, wieder Gefangene zusein, wieder dem Eindringen der Kälte und der Bösartigkeit des Gespenstes der Königin ausgesetzt zu sein, nahm überhand. Ireti und ihr Halbbruder verachteten das Leben wie sein Zwilling es getan hatte, und sie handelten grausam und unberechenbar.
Vor dem inneren Auge Telarions entstand das Bild, dass einer der beiden Landarias-Geschwister sich über Sanara beugte und ihr den qasarag , den er seit Tarinds Tod in Iretis Besitz wusste, in den Leib stieß. Er sah das Bild mit der Sicht des Heilers, ein dunkler Schatten, bläulich schimmernd, mal mehr ins Grünliche, dann wieder ins Violette tendierend, stieß eine Klinge aus verzehrender Finsternis in eine farangelb leuchtende Flamme und nahm ihr so jegliche Wärme, jegliche Lebendigkeit, alles, was sie ausgemacht hatte.
Die Flamme zitterte, schien in grausam dunklem Wind zu flackern, als klage sie, und verblasste schließlich, allen Lebens durch die pure, bösartige Finsternis beraubt, mit der man sie getötet hatte.
Besonders das letzte Bild kam so plötzlich und war von so unmittelbarer Wucht, dass Telarions Knie weich wurden. Er schloss die Augen und ließ sich, ohne dass er es wahrnahm, am Stamm des Ölbaums herabsinken. Plötzlich fühlte er sich schwach und hilflos. Der Gedanke, sich nun in das Lager zu schleichen und sich sowohl der Bosheit der Königin zu stellen als auch ihrem Machthunger und den Soldaten, schien ihm vollkommen absurd.
Er zwang sich, ruhig zu atmen.
Als Telarion das Gefühl hatte, dass der Sturm seiner Seele wieder gleichmäßiger wirbelte, richtete er sich langsam auf. Nach einigen weiteren Augenblicken war er in der Lage, die schrecklichen Gedanken und wilden Gefühle in eine Ecke seines Verstandes zu drängen und sich wieder ganz auf die vor ihm liegende Aufgabe zu konzentrieren. Er richtete seinen Blick auf das Lager, das sich vor dem Tal als Silhouette gegen den Himmel abhob, der von einem lichten Schwarz war, auf dem der Silbermond nun voll und hell leuchtete. Vanar berührte bereits die Berggipfel, die sichüber dem Tal von Farokant erhoben, Akusu
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