Goldmond
nie zuvor eingefallen war zu singen und dass er mit Musik, wie man sie selbst bei den Banketten der elbischen Adligen zur Unterhaltung von Zeit zu Zeit zu spielen pflegte, nur wenig anzufangen wusste. Kein Wunder, dass seine Kehle kaum fähig war, diese Töne nachzubilden.
Beinahe kam Mitleid in ihr auf, hatte er sich doch auf diese Weise einer der schönsten Künste, die das Leben bot, bisher versagt. Sie unterdrückte das Schmunzeln angesichts seiner unbeholfenen Versuche, sich die Musik der Menschen anzueignen, und stimmte stattdessen geduldig das Lied wieder und wieder aufs Neue an.
Sie wusste nicht, wie lange sie so neben dem Fürsten von Norad gesessen hatte, als auf seiner Handfläche eine Flamme erschien, eine Flamme, deren Grün nicht mehr kalt leuchtete, sondern einen warmen Schein verbreitete. Es war die erste, die nicht verschwand, nachdem der letzte Ton seine Seele verlassen hatte.
Sanara lächelte ihn aufmunternd an, auch wenn sie selbst überrascht war, dass es ihm gelungen war, das gelbe Element zu beschwören. Aber offenbar hatte Akusu ein Einsehen gehabt und sein Brummen erhört – sie selbst hatte bis zuletzt kaum eine Melodie erkennen können.
Doch sie hütete sich, ihre Gedanken laut auszusprechen. »Ihr habt das Feuer gemeistert«, sagte sie stattdessen freundlich und ließ ihre Hand sinken, um die grüne Flamme auf seiner Hand mit ihren Fingern zu berühren. Sie fühlte sich unerwartet kühl an, jedoch nicht kalt, eher wie eine frische Brise an einem heißen Tag. Dennoch erinnerte die unerwartete Kälte der Flamme sie an das Feuer, das in ihrem Gefängnis gebrannt und das ihr die Magie entzogen hatte.
Sie zog die Hand zurück.
Telarion betrachtete Sanara dabei, als erwartete er das Urteil seiner Lehrerin.
»Die Flamme ist warm«, sagte er zu ihrer Überraschung. »Aber es verbrennt mich nicht. Es gleicht Eu…« Er unterbrach sich und warf ihr einen raschen Blick zu. Er löschte das Feuer auf seiner Hand, schlug das Zeichen der Ys vor der Brust und machte Anstalten, sich zu erheben. »Ich danke Euch, Mendari«, sagte er und neigte förmlich den Kopf. »Ich werde versuchen zu beherzigen, was Ihr mich lehrtet.«
Sanara biss sich auf die Unterlippe, als könne sie nur so die Worte zurückhalten, mit denen sie ihn bestürmen wollte, den begonnenen Satz zu Ende zu bringen. Doch sie schwieg und rührte sich nicht.
Der Fürst hatte bereits ein paar Schritte in Richtung Ausgang gemacht, als er sich noch einmal umwandte. »Ihr habt mir heute Nachmittag sehr deutlich erklärt, dass ich keinen Grund habe, von Euch Freundlichkeit zu erwarten«, sagte er höflich.
Röte stieg in Sanaras Wangen. Gern hätte sie das, was sie gesagt hatte, zurückgenommen, doch sie fand nicht die passenden Worte. Sie hätte auch keine Gelegenheit gehabt, sich zu entschuldigen, denn schon sprach er weiter. »Umso herzlicher danke ich Euch dafür, dass Ihr mir den Weg gewiesen habt, Mendari. Das soll nicht unerwidert bleiben. Solltet Ihr mehr über die Kraft des Windes und des Lebens in Euch erfahren wollen, so kommt zu Beginn der Weißen Stunde in die Quartiere, die hier den Luftmagiern vorbehalten sind.«
Überrascht von seinem Angebot nickte Sanara nur kurz, worauf er davon ging. Einmal mehr lauschte sie seinen Schritten nach, bis sie in der Ferne verhallten.
Doch obwohl er gegangen war, fühlte sie sich diesmal nicht verlassen.
Nebel wogte in dicken Schwaden durch die Galerien, die zu den Quartieren der Luftmagier hinaufführten. Ein Rauschen und Donnern war zu hören, verursacht vom Blauwasserfall, der oberhalb des Klosters entsprang. Durch den Nebel war er nicht zu sehen.
Der Nebel war bereits grau, es kündigte sich ein kühler, klarer Tag an, als Telarion sich an einer Tasse Kräutersud labte, den er am Abend zuvor im Inneren der Arkaden auf einer Feuerstelle aufgebrüht hatte.
Telarion summte die Melodie vor sich hin, die Sanara Amadian ihn gelehrt hatte. Noch war es ungewohnt; die Töne kratzten in der Kehle, als wehrten sie sich dagegen, einem Magier des Vanar zu gehorchen. Und doch war das Gefühl, als die Funken der Töne ihm gehorchten und die Flamme auf der Hand entzündeten, ein wunderbares. Sanara Amadian schien ihm näher als je zuvor.
Es war, als hätten die flüchtigen Erinnerungen und Reminiszenzen an sie konkrete Form angenommen. Es entzückte den Fürsten von Norad, dass er nun die Möglichkeit hatte, sich ihre Wärme, ihr Feuer auf die Hand rufen zu können, wann immer es ihm
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