Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
Vom Netzwerk:
öffnete jäh die Augen und wandte sich ihr zu. Und doch konnte Sanara keine Regung in seinem Blick lesen. Nur seine Überraschung erkannte sie an seinen Bewegungen, die rasch und wachsam waren wie die eines wilden Raubtiers, das aufgestört worden war. Aber er war ein Fürst und hatte sich gut im Griff. Nach einem raschen Blick auf sie richtete er seine fremdartigen Augen wieder auf die Handfläche, die er vor sich hingestreckt hatte.
    »Wie Ihr sehr wohl wisst, Mendari, bin ich ein Herr des Lebens, ein Goldmagier der zweiten Ordnung. Ich wirke meine Magie mit Worten, nicht mit … Gesang«, sagte er. Es klang gelassen, aber auch würdevoll und so hochmütig, dass Sanara ein spöttisches Lachen unterdrückte.
    Er hörte das Glucksen in ihrer Kehle und warf ihr einen kurzen ärgerlichen Blick zu. Doch als sei sie eine Antwort nicht wert, wandte er sich einfach ab und bemühte sich weiter, das Feuer auf seine Hand zu rufen.
    Sanara unterdrückte den Impuls, ihrem Herzen zu gehorchen, das ihr empört über die Missachtung befahl, aufzustehen und den Gebetsraum der Ys sofort zu verlassen. Doch die Beharrlichkeit, mit der er sich darauf konzentrierte, die ihm fremde Kraft zu beherrschen, gefiel ihr.
    Und ihr gefiel auch der Gedanke, sie könnte ihn etwas lehren.
    »Hört zu. Ich singe Euch das Lied vor«, sagte sie und fügte ein wenig provozierend hinzu: »Ihr seid ein kluger Mann, es sollte Euch leichtfallen, die Tonfolge zu behalten.«
    Ohne seine Zustimmung abzuwarten, schloss sie die Augen und streckte ebenfalls die Linke aus, mit der Handfläche nach oben. Dann sang sie leise eine Abfolge von Tönen, die sich vor ihrem inneren Auge als gelb lodernde Flammen und glimmende Funken manifestierten. Sie kamen aus ihrem Herzen und aus ihrer Seele und wirbelten um ihre Hand herum, bis sie sich schließlich darauf sammelten und zu einer einzigen Flamme wurden, in der sich samtschwarzer Rauch kräuselte.
    Sanft ließ Sanara die letzten Noten verklingen, doch die Flamme verschwand nicht.
    Sie öffnete die Augen und sah ihn an.
    Er erwiderte den Blick, so als könne er nicht fassen, dass ein denkendes Wesen eine solche Kunst mit dieser Leichtigkeit beherrschte.
    »Die Töne sagen nichts«, sagte er dann. Es klang unwillig.
    Jetzt war es an Sanara, überrascht zu sein. »Was meint Ihr damit? Sie haben die Flamme gerufen, oder nicht? Da können sie doch nicht stumm sein.«
    »Diese Töne gleichen aber keinem Wort, das ich kenne«, erklärte der Fürst ungeduldig. »Es sind einfach nur Töne! Wie kann die Flamme anhand einiger zufälliger Töne wissen, dass sie brennen soll? Das verstehe ich nicht.«
    Sanara unterdrückte ein Lächeln. »Melodien sprechen nicht mit Worten, das ist wahr«, sagte sie. »Doch unterliegen beide, Melodien wie Worte, den Gesetzmäßigkeiten der Schöpfergeister, und sind damit nichts anderes als zwei Seiten derselben Münze. – Was wäre denn ein Wort Eurer Ansicht nach, wenn nicht eine Abfolge von unterschiedlichen Tönen, denen die Kinder des Vanar eine bestimmte Bedeutung zubilligten?«
    Telarion runzelte die Stirn und starrte sie an. Es schien, als sei ihm der Gedanke, dass die Gesänge der Menschen und die epischen Gedichte der Elben nur verschiedene Ansichten eines großen Ganzen seien, völlig neu.
    Doch schließlich nickte er kurz. Sanara glaubte zu erkennen, dass der Zorn aus seinem seltsam fremden Blick verschwand. »Ich glaube, ich verstehe, was Ihr meint, Mendari.«
    Er streckte erneut die Hand vor sich aus, seinen magischen Arm, sodass er nur wenige Fingerbreit von ihrem entfernt war. Der Fürst trug ein dunkles Hemd, das um den Oberkörper gewickelt und mit Bändern und Schärpe an der Hüfte geschlossen war. An den Ärmeln reichte es bis zu seinen Händen. Die trockene Kälte, die von ihm ausging, war an Sanaras Handgelenk zu spüren, so als würde ihre Linke von kaltem Rauch eingehüllt, der geschwängert war vom Duft verbrannten Yondarharzes.
    Sanara schluckte. Auch sie trug das gewickelte Hemd eines Laien dieses Klosters, doch sie fragte sich nun, ob er die Wärme ihres Körpers ebenso spürte. Der Gedanke gefiel ihr.
    »Singt, Mendari«, forderte er sie auf.
    Sanara schloss die Augen und sang.
    Bereits beim dritten Mal hörte sie ein Brummen. In ihren Ohren klang es erst wie das Brummen eines Rakkars, doch sie lachte nicht, als sie erkannte, dass es die ersten Versuche des Fürsten von Norad waren, die Melodie anzustimmen, die das Feuer rief.
    Seine Worte hatten ihr gesagt, dass ihm

Weitere Kostenlose Bücher