Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
lachte ausgelassen wie ein Kind, riss sich ihre Kleider bis auf den Slip vom Leib und gab sie ihrem Sohn. Fast nackt stand sie im Schnee, doch ihr wurde immer heißer. Hannes stöhnte laut auf, auch ihm lief jetzt der Schweiß über sein Gesicht. Plötzlich schrie der Schneemann entsetzt auf. Er rannte los, bevor Hannes ihn anziehen konnte, schneller als ein Gepard, einfach nur weg. Frieda blickte ihm konsterniert nach. Dafür all die Mühe? »Was soll’s«, sagte sie laut. »Komm, Hannes, wir gehen wieder rein.« Den Blick auf den flüchtenden Schneemann gerichtet, griff sie nach Hannes’ Hand, griff aber ins Leere. Überrascht riss sie den Kopf herum. Ihr Sohn lag auf dem Boden, zusammengekauert wie ein Embryo, röchelnd. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich der Schnee in Lava verwandelt hatte. Kein Wunder, dass es so heiß war! »Hannes, was ist mit dir? Sag doch was!« Sie beugte sich zu ihm hinunter, nahm seine Hand. Doch es war nicht Hannes’ Hand.
Wo war sie? Frieda blinzelte in die Nacht hinein. Sie hielt Heinrichs Hand fest umschlossen, der schnarchend neben ihr lag. Irgendetwas stimmte nicht. Was waren das für pochende Kopfschmerzen direkt hinter ihrer Stirn? Dazu noch die Atemprobleme, sie bekam kaum Luft. Das konnte doch nicht vom Alkohol kommen. Dann bemerkte sie den Geruch. Rauch. »Hannes!«, schrie sie und sprang aus dem Bett. Heinrich hatte aufgehört zu schnarchen und lag friedlich stumm auf dem Rücken. Sie fühlte sich benommen, alles schien sich zu drehen. Nicht wie im alkoholischen Rausch, eher wie bei hohem Fieber. Frieda torkelte zur Tür, riss sie auf. Der Rauch zog bereits durch die Galerie. Von unten vernahm sie wie durch einen Schleier ein Knistern. Der Kamin? Mit einem Mal wurde ihr schlecht, und sie übergab sich. So heiß, es war so verdammt heiß! Von Magenkrämpfen geschüttelt blickte Frieda den Flur entlang. Was war das? Lief dort allen Ernstes der Schneemann? »Hannes!« Ihr Ruf wurde erstickt, sie bekam keine Luft mehr. Sie schleppte sich zu dem Zimmer ihres Sohnes. Der Schneemann, oder was auch immer das gewesen sein mochte, war fort. Frieda sah noch, wie ihre Hand nach der Klinke greifen wollte, dann fiel sie wie ein gefällter Baum zu Boden.
8
Mailand, Kanzlei dal Monte, Montag, 2. Januar
Gianna nippte an ihrem Champagner. Sie war abwesend, in Gedanken. Seit sie den Kontakt zu Vincenzo abgebrochen hatte, fühlte sie sich von einem ungeheuren Druck befreit. Ihre Intelligenz sagte ihr, dass sie ihrem Freund unrecht tat, dafür brauchte sie keinen Psychologen, aber das Problem war, dass sie es nicht fühlen konnte. Verstand und Emotionen arbeiteten bei ihr strikt diametral, was zu einer inneren Zerrissenheit führte, die sie nur ertragen konnte, indem sie Vincenzo aus dem Weg ging. Zumindest für eine Weile, bis die Therapie die erhoffte Wirkung zeigte. Wie gern hätte sie ihm das alles erklärt, doch sobald er vor ihr stand, empfand sie nur noch Wut. Alles an ihm nervte sie. Seine Weichlichkeit, die ewige Sülzerei, sein mal schmachtender, mal flehender Blick. Wahrscheinlich wäre es für beide besser, wenn er sie endlich nicht mehr in Watte packen, sondern ihr knallhart den Spiegel vorhalten würde. Das Verrückte war, dass es vor ihrer Zeit im Eis genau die Eigenschaften, die sie jetzt an ihm hasste, gewesen waren, die sie magisch anzogen hatten, vor allem in der Kombination mit seinem männlichen Erscheinungsbild und seinem Mut. Feigheit zählte wahrlich nicht zu Vincenzos Untugenden.
Anders als sein mittlerweise übermäßiger Alkoholkonsum. Wie er sich gehen ließ, richtig dick war er geworden. Davor war er drahtig, durchtrainiert gewesen. Und jetzt? Sixpack im Speckmantel. Sie war so fürchterlich ungerecht, konnte aber nichts dagegen tun. Nur abwarten. Sie wusste, dass der Mann im Eis aus der Not heraus gehandelt hatte. Es war ihm um Geld gegangen, ganz banal. Sie war ein Zufallsopfer gewesen, das er nicht wie ein Opfer behandelt hatte. Er hatte sich ihr gegenüber voller Respekt verhalten, war interessiert an ihr gewesen. Es passte einfach nicht zu ihm, dass er mit Vincenzo ein dermaßen perfides Katz-und-Maus-Spiel getrieben haben sollte. Sie hatte die Briefe gelesen, gut, aber wer sagte denn, dass er sie überhaupt geschrieben hatte? Schon der Stil passte nicht zu ihm. Sie war verwirrt, nicht Herr ihrer Gefühle, sondern nur deren Spielball. Das Beste für sie würden Geduld und Ablenkung sein.
Gianna spürte, wie sich ein Arm um ihre Schulter legte. Sie sah
Weitere Kostenlose Bücher