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Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Goldrausch in Bozen - Kriminalroman

Titel: Goldrausch in Bozen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Selbst Küsse beschränkten sich auf flüchtige Berührungen der Wangen bei Begrüßung und Abschied. Er bemühte sich nach Kräften, machte ihr Komplimente, versuchte, zärtlich zu sein, und überhäufte sie mit Geschenken und Aufmerksamkeiten, aber vergeblich. Alles prallte an der Wand ab, die sie um sich herum errichtet hatte. Vincenzo hatte das Gefühl, als bräche seine gesamte Zukunft vor ihm zusammen. Er liebte Gianna, wie er nie zuvor einen Menschen geliebt hatte. Lange Zeit hatte er gedacht, dass seine große Jugendliebe Teresa auf ewig das Maß aller Dinge bleiben würde, aber dann hatte er Gianna kennengelernt. Er wollte sein Leben mit ihr verbringen, Kinder haben, mindestens drei, einen Hof und mit ihr zusammen alt werden. Es hatte sogar Momente gegeben, in denen der naturverbundene Vincenzo sich gedacht hatte: Für Gianna würde ich sogar nach Mailand gehen.
    Anfangs hatte er gehofft, dass die Therapie bald Wirkung zeigen und Gianna Stück für Stück wieder die Alte werden würde. Doch er war einem Irrtum aufgesessen. Selbst die Therapeuten waren überrascht ob der kaum wahrnehmbaren Fortschritte. Der Entführer musste Gianna einer Hirnwäsche unterzogen haben, anders war nicht zu erklären, dass eine zuvor so selbstbewusste und toughe Rechtsanwältin dermaßen aus der Spur geraten war.
    Doch nicht nur Giannas Veränderungen waren für Vincenzo eine ständige Belastung. Auch ihr Entführer. Obschon sie den Fall abgeschlossen hatten, war letztlich nicht klar, ob sie auch nichts übersehen, ob sie die Wahrheit herausgefunden hatten. Wer hatte dahintergesteckt? Der desillusionierte Junkie oder das skrupellose Monster? Seit Giannas Entführung schlief Vincenzo schlecht, schreckte regelmäßig aus fürchterlichen Alpträumen hoch, fühlte sich oft tagelang wie gerädert. Als er an jene Nacht im Oktober zurückdachte, überzog seine Arme noch immer eine Gänsehaut.
    Er vernachlässigte sich, trieb mangels inneren Antriebs kaum noch Sport, trank stattdessen viel, nahezu täglich. Schon jetzt hatte er zehn Kilogramm zugenommen. Wenn Gianna doch nur endlich aus ihrer verkehrten Welt zu ihm zurückkehren würde.
    Er beugte sich zu ihr hinüber. »Was meinst du, Süße, sollen wir jetzt die Bescherung machen, oder willst du zuerst essen?«
    Sie blickte ihn eine Weile aus ausdruckslosen Augen an. »Hör mit den Sülzereien auf«, blaffte sie dann. »Ich kann das nicht ertragen. Wahrscheinlich sollten wir bescheren, wenn wir angesichts dieser Geschenkeorgie heute noch fertig werden wollen.«
    Fertig werden wollen. Was für eine Kaltschnäuzigkeit. Vincenzo kämpfte gegen aufsteigende Tränen an. Wut, Hass und Aggression bei seinem Gegenüber machten ihm nichts aus. Aber Distanz und menschliche Kälte, das waren Eigenschaften, mit denen er kaum zurechtkam. »Wann wirst du endlich damit aufhören, Gianna? Wie lange kennen wir uns jetzt schon? Kannst oder willst du nicht begreifen, dass dir dieses miese Drecksschwein Fürchterliches angetan hat? Glaubst du wirklich, dass alle Menschen in deiner Umgebung dich anlügen? Sogar deine Eltern? Glaubst du, ich würde auch nur daran denken, dein Leben für meine Karriere aufs Spiel zu setzen? Es war andersrum: Ich war bereit, mich für dich zu opfern! Verstehst du das?« Seine Stimme war weder laut noch fordernd, doch flehte er Gianna unverkennbar an.
    Ohne erkennbare Regung stand sie auf, ging zum Baum und griff lustlos nach dem ersten Geschenk. »Soll ich damit anfangen?«
    Vincenzo wischte sich eine Träne weg. Das war nicht seine geliebte Gianna, das war nur ihre lebende Hülle. Die Seele war irgendwo in diesem verfluchten Gletscher geblieben. Oder hatte sie sich im Laufe der letzten Wochen und Monaten selbst so tief in den Sog aus Abwehr und Feindseligkeit hineinziehen lassen, dass sie nun befürchtete, nicht mehr hinauszukommen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren? »Weißt du was? Wie wäre es, wenn wir ganz von vorn anfangen würden? Wir gehen rüber in den ›Braunwirt‹, du stellst dich an die Bar, ich flirte mit dir, und dann essen wir zusammen. Vielleicht kommen wir ja so gemeinsam aus diesem Strudel raus. Denn wenn du nicht mit mir zusammen sein wolltest, wärest du kaum hier.«
    Gianna legte das Geschenk beiseite und baute sich vor Vincenzo auf. »Denkst du wirklich, du könntest mich mit so einem Pseudopsychogeschwafel beeindrucken? Was mir der Mann im Eis erzählt hat, hatte Hand und Fuß. Natürlich möchte ich irgendwann den Glauben an dich wieder

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