Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
zurückgewinnen, ich habe ja nicht vergessen, wie es vorher zwischen uns war. Nur dafür mache ich die Therapie, und du weißt ja, was ich normalerweise von Psychologen halte. Wenn dir also etwas an mir liegt, dann lass mich mit so einem Blödsinn in Ruhe. Damit machst du alles nur noch schlimmer. Also, mit welchem Geschenk soll ich anfangen?«
Vincenzo sackte in sich zusammen. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen dermaßen verändern konnte. Wie ferngesteuert griff er zum Grappa. Erst zu seinem, dann zu Giannas, dann stand er auf, nahm das erstbeste Geschenk und reichte es ihr. Wortlos, weil ihm die Worte fehlten. Er füllte beide Gläser und leerte sie erneut in einem Zug. Als Gianna das Geschenk, einen Umschlag, geöffnet hatte, waren die Gläser schon wieder voll. Sie hielt zwei Karten für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker in Händen. »Was ist das?«
Vincenzo setzte das Glas ab, das er in der Hand hielt, stand auf und nahm Gianna, ermutigt durch den Alkohol, in den Arm. »Karten für das Konzert am zweiten Januar in Wien. Ich habe uns ein traumhaftes Zimmer im ›Kaiserhof‹ reserviert. Ich dachte, wir könnten am dreißigsten Dezember hinfahren, in dem Hotel Silvester feiern, zum krönenden Abschluss in das Konzert gehen und uns am dritten wieder auf den Rückweg machen. Nur wir beide. Vielleicht ist das ja eine Chance für uns.«
Ein Lächeln huschte über Giannas Lippen. Flüchtig drückte sie Vincenzo an sich, bevor sie ihn sanft, aber nachdrücklich wieder von sich schob. »Das ist wirklich süß von dir, aber es geht nicht. Ich wollte Silvester mit Claudia feiern, sie hat sich gerade erst von ihrem Freund getrennt und braucht Ablenkung. Entschuldigung, ich weiß, ich hätte es dir vorher sagen sollen. Außerdem ist am zweiten Januar der traditionelle Neujahrsempfang unserer Kanzlei, zu dem viele hochrangige Klienten aus Wirtschaft und Politik kommen.«
Vincenzo hatte das Gefühl, mit Lichtgeschwindigkeit in einen endlosen Abgrund zu stürzen. Nichts konnte seinen Fall stoppen. Er registrierte, dass er laut wurde, verstand seine Worte aber nicht. »Letztes Jahr war dir der Empfang doch auch egal! Und Claudia ist dir wichtiger als ich, versteh ich das richtig? Weißt du, was mich das gekostet hat?« Er trank den nächsten Grappa, ohne ihn zu schmecken.
Gianna lächelte verächtlich. »Typisch. Immer geht es nur um dich. Du setzt mich andauernd unter Druck und fühlst dich vernachlässigt, nur weil ich mich mal um eine Freundin kümmern will, der es schlecht geht. Du bist wirklich ein Egomane, der Mann im Eis hatte völlig recht. Und die Bescherung lassen wir wohl auch besser. Das wäre doch die reinste Heuchelei. Ich fahre jetzt nach Hause und denke, es ist besser, wenn wir uns zukünftig ganz aus dem Weg gehen. Sieh zu, dass du zur Besinnung kommst.« Sie schüttelte den Kopf. »Und betrunken bist du auch schon wieder. Was Besseres fällt dir wohl nicht ein, um deine Probleme zu lösen? Und komm ja nicht auf die Idee, mich anzurufen. Ich melde mich. Irgendwann.«
Unfähig, sich zu bewegen, sah Vincenzo zu, wie eine wütende Gianna durch alle Zimmer rannte, um ihre Sachen zusammenzuraffen. Seine Beine waren wie Wackelpudding. Er wollte sie aufhalten, sie anflehen, sie schütteln, sie aus sich selbst befreien, war aber dazu nicht in der Lage. Minuten später verließ sie schweigend und ohne ihn eines letzten Blickes zu würdigen die Wohnung. Er verharrte auf seiner Couch und leerte die gesamte Flasche Grappa.
Zwischen den Feiertagen hatte er sich freigenommen, weil er gedacht hatte, Gianna würde bei ihm bleiben. So viel Hoffnung hatte er für diese Zeit gehabt, und nun war er allein. Gianna meldete sich nicht, und auch er konnte sich nicht zu einem Anruf überwinden. Ihm wäre kein Wort über die Lippen gekommen. Tagelang hing er rum, zappte durchs Fernsehprogramm, verlor sich in stupiden Computerspielen und trank Bier. Außer an Silvester. Dem besonderen Anlass entsprechend kippte er an diesem Tag eine Flasche Grappa und zwei Pullen Sekt in sich rein. Nach der ersten der beiden prostete er bei jedem Schluck Giannas Konterfei in dem großen Wechselrahmen zu und überhäufte ihr Bild mit Küssen.
Wenn an diesem Abend das Telefon läutete, blickte er zuerst auf das Display. Keine Gianna. Nur seine Eltern. Und sein Freund Hans, der sich lange nicht gemeldet hatte. Doch Vincenzo nahm kein Gespräch an. Lediglich seinen Eltern schickte er
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