Goldrausch in Bozen - Kriminalroman
bewerben sollte.
Kurz danach saß er seiner zukünftigen Chefin gegenüber, Christine Alber, fast zehn Jahre älter als er. Und von der ersten Sekunde an strahlte sie vor allem eines aus: Dominanz. Sie hatte seine Zeugnisse und eher spärlichen Empfehlungen vorliegen, begrüßte ihn unterkühlt und musterte ihn dann schweigend von oben bis unten. Luigi hatte sich unbehaglich gefühlt, war sich regelrecht nackt vorgekommen, und doch ging von ihr, von ihrem Verhalten und ihrer Aura, etwas aus, was ihn über das Maß anmachte. Sein Mund wurde trocken, als ihn die Hotelierin fragte, warum ein Koch, dessen anspruchsvollster Posten bislang der des Demi Chef de Partie war, sich für eine Position als Chefkoch in einem Hotel wie dem ihren berufen fühle. In all seiner empfundenen Nacktheit hatte er vor Christine Alber gestanden und nichts als zusammenhangloses Gestammel hervorgebracht.
Sie hatte gelächelt, ihm einen Kaffee angeboten und eine Weile Belanglosigkeiten mit ihm ausgetauscht. Schwere Zeiten, Gastronomie sowieso, Gästezahlen rückläufig, Touristen immer anspruchsvoller. Dann hatte sie ihm den Posten angeboten, wenn er zunächst und über die normale Probezeit hinaus bereit sei, für das Gehalt eines Chef de Partie zu arbeiten, zwei Stufen unter der ausgeschriebenen Position. Luigi Ferrari hätte nicht sagen können, wie er reagiert hätte, wäre der Vorschlag von einem Mann gekommen. Er besaß Stolz, und nicht zu knapp! Doch aus Christines Mund war ihm das Angebot wie eine Offenbarung vorgekommen.
»Schön, dass wir uns einig sind«, hatte sie gesagt. »Selbstverständlich hat der Begriff ›Arbeitszeiten‹ in so einem Umfeld eine andere Bedeutung als in einem unbedeutenden Ristorante. Kommen Sie, dann zeige ich Ihnen jetzt mal das Hotel.« Christines Art duldete keine Widerworte. Das hatte er sofort begriffen. Wie ein Hund war er hinter ihr hergelaufen. Diesen merkwürdigen Gefühlsmix würde er nie vergessen. Eine Vorspeise verletzter Stolz, bestätigter Stolz als Aperitif, weil die Position sein Lebenstraum war, animalischer Trieb als Hauptgang und zum Dessert das Gefühl, sich im süßesten aller Träume zu befinden.
»So, Herr Ferrari, das hier ist die Tribulaun-Suite, das Sahnehäubchen meines Hotels. Die meisten Buchungen dafür kommen von Stammgästen.« Sie hatte ihn seltsam angelächelt, bevor sie fortfuhr. »Durchweg von Pärchen, allerdings nicht immer verheirateten. Insofern ist von beiden meistens nur einer ein Stammgast.«
Und dann geschah das, was sich Luigi allerhöchstens im Film hätte vorstellen können. Bis heute bestimmte die Erinnerung daran sein Denken. Sie hatte die Tür abgeschlossen, sich vor ihm aufgebaut und ihm schweigend zwischen die Beine gegriffen. Luigi gehörte bestimmt nicht zu dieser Sorte Männern, nie zuvor war ihm so etwas passiert, und eine Stimme in seinem Inneren begehrte sogar auf: »Das ist der Zeitpunkt, um zu gehen. Dein alter Job ist doch auch gut.« Doch seine Erektion hatte die stärkeren Argumente. Christine hatte ihn auf das große Bett geschubst, ihre Bluse geöffnet und den Satz zu ihm gesagt, der ihn damals wahnsinnig gemacht hatte und der ihn heute noch immer wahnsinnig machte. »Nur, dass wir uns von Anfang an richtig verstehen: Nicht du fickst mich, sondern ich dich. Ist das klar?«
Seither war er Wachs in Christines Händen. Es war Luigi ein Rätsel, warum Silvia anscheinend überhaupt nichts von seiner Affäre mitbekam, aber er beschwerte sich nicht, denn so war es für alle Beteiligten am besten. Dass er und Christine niemals ein richtiges Paar werden würden, war mit dem folgenschweren Satz in der Tribulaun-Suite auch klar gewesen.
»… den Aperitif, verdammt noch mal!« Christine hatte sich wütend hinter ihm aufgebaut. »Was ist los, Luigi, pennst du? Die Deutschen warten schon seit zehn Minuten auf ihren Champagner!«
Ein zahlungskräftiger Unternehmer aus Süddeutschland hatte einige hochrangige Kunden für ein paar Tage zum Skifahren ins Pflerschtal eingeladen, und seine Wahl war, warum auch immer, auf das Hotel Christine gefallen.
Luigi wusste, dass eine demütige Entschuldigung die einzig richtige Antwort war. Zumal es wichtig war, die Gäste zufriedenzustellen. Mit geübten Handgriffen hatte er in Sekundenschnelle die Gläser gefüllt. Zwar gehörte das nicht unbedingt zu seinen Aufgaben als Chefkoch, aber das spielte aus Christines Sicht keine Rolle.
Luigi betrat mit dem Tablett den Gastraum, dem man trotz aller
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