Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
zwar unregelmäßigen, aber nicht minder freundschaftlichen Kontakt hielt.
Zur Feier des Tages ließ er sich anschließend von Petra Flockerzie einen doppelten Espresso bringen. Dann versuchte er dieses neue, aber möglicherweise entscheidende Mosaiksteinchen in die bisherigen Bilder, die er sich von den beiden Mordfällen zusammengebaut hatte, einzuordnen. Ihn ereilte aber sehr schnell die ernüchternde Erkenntnis, dass er ohne weitere Informationen bei seinen Rekonstruktionsversuchen keinen Millimeter voran kam.
Folglich beschränkte er sich an diesem Nachmittag darauf, dem großen Kommissar Zufall ausgiebig dafür zu danken, dass er wie schon so oft zuvor, nun auch noch ein weiteres Mal mit seiner unendlichen Güte das kriminalistische Alltagsgeschäft der Kaiserslauterer Mordkommission in entscheidendem Maße positiv beeinflusst hatte.
Kurz bevor er sich nach Hause aufmachte, erreichte ihn ein weiteres Fax, in dem man ihn über die Ankunft Thomas Krehbiels informierte, der bereits am folgenden Tag mit der 10-Uhr-Maschine auf dem Frankfurter Flughafen eintreffe und dort in Empfang genommen werden könne.
Der Mann, der Tannenberg am nächsten Tag genau zur Mittagszeit mit silbernen Handschellen gefesselt gegenüber saß, entsprach vom äußeren Erscheinungsbild weit mehr der Vorstellung, die man gemeinhin mit dem Begriff ›Dressman‹ verbindet, als der eines brutalen Gewaltverbrechers: kurz geschnittene, schwarze Haare, gebräunt, glattrasiert, muskulös, sehr gepflegt – allerdings mit einem etwas übertriebenen, herben Rasierwassergeruch umgeben.
Wahrscheinlich einer, der immer einen Akkurasierer in der Tasche hat, damit er sich wegen seines starken Bartwuchses zwei- oder dreimal am Tag überall rasieren kann, dachte Tannenberg, als er, nachdem er den Mordverdächtigen über seine Rechte belehrt hatte, das Tonbandgerät einschaltete.
Genau: Es sind die Augen, diese starren, kalten Augen, die ihn verraten, weil sie mehr über seine Persönlichkeit aussagen, als dieses gesamte aufgesetzte Styling, sagte der Leiter des K1 zu sich selbst, bevor er mit der Befragung begann.
»Ihr Name ist Thomas Krehbiel, geboren am 12.8.1969 in Halle/Saale; in Kaiserslautern polizeilich gemeldet seit Dezember 1995, wohnhaft in der Rousseaustraße 23. Ist das richtig?«
»Jawohl!«
»Was haben Sie vorher gemacht? Wo haben Sie vorher gelebt? Darüber haben wir nämlich keine Informationen gefunden.«
»Ich hab mich nach der Wende gleich in die Legion gemeldet.«
»In die Fremdenlegion?«, fragte Schauß nach.
»Jawohl!«
»Und dann?«, wollte Tannenberg wissen, während er in den spärlichen Personalunterlagen herumblätterte, die seine Mitarbeiter in der kurzen Zeit über den Beschuldigten zusammengetragen hatten.
»Dann bin ich hierher und …«
»Und haben Arbeit als Fahrer bei einem gewissen Christian Berger gefunden«, vollendete Kommissar Schauß ungeduldig und fing sich dafür umgehend einen tadelnden Blick seines Vorgesetzten ein.
»Jawohl!«
»Wer ist dieser Mann? Der muss ja ziemlich reich sein, wenn er sich einen eigenen Fahrer leisten kann.«
»Herr Berger ist der Chef von MPI .«
»Was? Sie sind der Fahrer des Firmenchefs von Midas-Power-Investments ?«
»Jawohl!«
»Sagen Sie mal, können Sie eigentlich nichts anderes als ›jawohl‹ sagen? Wir sind hier doch nicht beim Militär«, fuhr Schauß ihn an.
»Doch: Ich will jetzt meinen Anwalt sprechen!«, entgegnete Thomas Krehbiel schlagfertig und fummelte nervös an seinen Handschellen herum. »Kann ich eine Zigarette haben?«
»Nein! Hier wird nicht geraucht!«, gab Tannenberg scharf zurück.
»Welchen Rechtsanwalt wollen Sie denn?«
»Doktor Croissant.«
»Das hab ich mir doch gleich gedacht!«, entgegnete der altgediente Hauptkommissar kopfnickend.
Tannenberg war klar, dass er die Chance nutzen musste, sein Gegenüber noch vor dem Eintreffen des cleveren Anwalts zu einem Geständnis zu bewegen. Deshalb nahm er kurzen Blickkontakt zu seinen beiden Mitarbeitern auf, die sofort verstanden, dass nun eine besondere Art der Befragungstaktik angesagt war.
»Sie sollten sich ganz genau überlegen, ob Sie sich ausgerechnet diesem Anwalt anvertrauen wollen«, begann Tannenberg eher beiläufig.
»Warum?«
»Weil wir glauben, dass er Ihnen bei den Problemen, die jetzt auf Sie zukommen werden, nicht sonderlich gut weiterhelfen kann.«
»Wieso?«
»Weil er Sie garantiert dazu bringen will, die Aussage zu verweigern.« Tannenberg wartete auf eine
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