Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
attraktiven jungen Geschöpfen.
Die würde ich beide nicht von der Bettkante stoßen! Aber die kämen ja erst gar nicht freiwillig dorthin!, stellte er mit Wehmut fest, denn die völlige Ignoranz seiner dezenten Flirtbemühungen hatte ihm nur allzu deutlich vor Augen geführt, dass die Damen, die in dieser Altersklasse starteten, an einem alten Knacker wie ihm absolut nicht interessiert zu sein schienen.
Na ja, was soll’s: Das ist wohl schließlich auch der Wille von Mutter Natur! Meinen Altersgenossen geht’s ja auch nicht besser, versuchte er sich selbst zu trösten. Außer man ist so’n reicher Geldsack, der sich so eine junge, hübsche Frau kaufen kann. Aber was hat man denn von so einer, die einen nur wegen des Geldes zu sich ins warme Bettchen lässt? Mit der kann man ja sonst nichts anfangen. Diese Weiber sind doch meistens nur blöd und nerven einen mit ihrem affektierten, kindischen Gehabe permanent. Zudem stehlen sie einem die Zeit. Apropos Zeit: Wo bleibt denn eigentlich der Wolf, der alte Sack? Der wollte doch nur kurz aufs Klo!
Der Rechtsmediziner blickte auf seine Armbanduhr.
Viertel nach zehn! Wann ist der denn weg? Ach, was soll’s, der hat sicher einen Bekannten getroffen, suchte er nach einer schlüssigen Erklärung für das Wegbleiben seines Freundes. Oder er hat eine Tante abgeschleppt! Quatsch, mein Wolfram doch nicht, der ist doch immer noch so auf seine Lea fixiert und schaut keine andere an. Das sieht man doch an der Glück-Mankowski: Anstatt gestern Nacht mit der irgendwo hinzugehen und sie flachzulegen, bringt er sie mitten in der Nacht zum Bahnhof und setzt sie in den Zug – angeblich, weil er sich auf seinen neuen Mordfall konzentrieren muss. So ein Vollidiot! Wobei die gar nicht zu verachten ist, die Frau Psychologin. – Mensch, wo bleibt denn der Kerl? Der kann mich doch nicht einfach hier stundenlang alleine sitzen lassen! Am Ende hat der sich noch abgesetzt, weil er die Zeche prellen will. Das wäre ja wohl der Hammer! Aber dem Kerl ist ja alles zuzutrauen, wenn der einen intus hat!
Zähneknirschend beglich Dr. Schönthaler die stattliche Rechnung und machte sich auf die Suche nach seinem verschollenen Zechkumpan. Zuerst begab er sich zu den Toilettenanlagen, die auf dem Festplatzgelände verteilt waren, kontrollierte sogar jede einzelne Kabine. Aber er hatte keinen Erfolg. Dann durchkämmte er systematisch alle Festzelte, stöberte hinter den Verkaufsständen, befragte Festbesucher und Bedienungen – fand aber nicht die geringste Spur von ihm, nicht einen winzigen Hinweis auf den gesuchten Kriminalbeamten.
Wolfram Tannenberg war wie vom Erdboden verschluckt, hatte sich ins Nichts aufgelöst, war einfach weg. Als ob er nie hier gewesen wäre.
Der Gerichtsmediziner wurde von Angst erfasst, blanke Panik bemächtigte sich seiner.
Was soll ich jetzt nur machen, zermarterte er sich das alkoholvernebelte Hirn. Was ist bloß mit ihm passiert? – Polizei! Ich muss zur Polizei! Die müssen eine große Suchaktion starten. Vielleicht ist er ja auch entführt worden. Vielleicht hängt das mit unserem neuen Fall zusammen. Genau! Diese Weiber: Das war doch kein Zufall. Das war inszeniert! Warum sind die sonst so plötzlich los, kurz nachdem Wolf raus zur Toilette ist?
»Wo ist die nächste Polizeidienststelle?«, schrie er plötzlich in die an ihm gemächlich vorbeischlendernden Menschen.
»Da vorne gleich um die Ecke, am Westring«, antwortete ein älterer Mann.
Ohne sich für die Auskunft zu bedanken, rannte er wie von Sinnen los. Schon wenig später hatte er die Polizeiwache gefunden. Er war völlig atemlos und brachte nur zusammenhanglose Wortfetzen heraus: »Entführung … Tannenberg … Mordfall«.
Eine freundliche, junge Beamtin ging sogleich auf ihn zu und versuchte ihn zu beruhigen.
»Sie sind ja völlig fertig. Sollen wir einen Arzt rufen?«
»Nein, keinen Arzt … Ich bin ja selbst einer …«
»Was ist denn passiert?«
»Mein Freund …, mit dem ich beim Federweißenfest war …, ist verschwunden … Spurlos … Entführt … Bestimmt von den Frauen …, die bei uns am Tisch saßen …
Oder ihren Komplizen … Das hängt bestimmt mit … dem neuen Mordfall zusammen … Sie müssen sofort eine Suchaktion starten …«
»Nun mal ganz langsam. Mordfall? Entführung? Haben Sie einen über den Durst getrunken?«, fragte ein schon angegrauter Beamter belustigt.
»Quatsch! Ich bin genauso sicher nüchtern …, wie ich Gerichtsmediziner bin.«
»Gut. Dann erzählen
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