Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
–, dann kennen Sie ja vielleicht die Leute von FIT.net sogar persönlich.«
»Ja, klar. Man kennt sich von der Cebit und den anderen Computermessen, von speziell auf unsere Kunden zugeschnittenen Großveranstaltungen, aber natürlich auch vom Studium her«, sagte die Rothaarige und wandte sich an ihre Kollegin. »Carmen, darf ich über die Sache sprechen?«
»Von mir aus. – Aber, meine Herren, Sie müssen uns absolute Diskretion zusichern«, flüsterte die Angesprochene.
»Natürlich. Es erfährt niemand etwas von unserem Gespräch!«, versicherte Tannenberg und setzte sein Glas, das er gerade zum Mund geführt hatte, ohne zu trinken wieder ab.
»Also, gut: Vor kurzem kamen Gerüchte in unserer Firma auf, FIT.net wolle uns übernehmen.«
»Aufkaufen?«, platzte es aus dem Pathologen heraus.
»Nein«, sagte Carmen gedehnt, während sie sich mit ihrer linken Hand von der Stirn aus nach hinten durch die Haare fuhr. »So war das vielleicht mal früher, als in dem Bereich alles noch viel langsamer vonstatten ging. Heute läuft das doch ganz anders.«
»Und wie läuft es heute?«, wollte der etwas pikiert wirkende Hauptkommissar wissen.
»Das ist eigentlich ganz einfach. Ich mach’s Ihnen mal an unserem Beispiel deutlich: Dem Chef unseres Unternehmens wird von der größeren, finanzkräftigeren Firma, in unserem Fall eben von FIT. net, ein lukratives Übernahmeangebot unterbreitet. Dieses besteht darin, dass FIT.net unserem Chef einen Aktientausch anbietet: Sein Aktienpaket gegen ein Paket FIT.net -Aktien. Kein schlechter Tausch, schließlich erhält er eine Beteiligung an einem Vorzeigeunternehmen mit unglaublichen Wachstumsraten, riesiger Referenzliste usw. Das wird niemand ausschlagen! Zusätzlich wird dann unserem Chef ein interessanter Job bei FIT.net angeboten. Den er aber wahrscheinlich gar nicht annehmen wird, weil er nach dem Aktientausch garantiert sehr reich ist und dann nie mehr zu arbeiten braucht. Mit solch einem Köder, dem unser konsumgeiler Chef mit Sicherheit nicht widerstehen könnte, sichert man sich dann nicht nur das informationstechnologische Know-how der Firma, sondern man hat auch gleich einen unliebsamen Konkurrenten ausgeschaltet.«
»Genial«, war die einhellige Meinung der beiden Männer.
»Dann kennen Sie vielleicht sogar den Professor von Wandlitz persönlich«, fasste Tannenberg eine spontane Inspiration in Worte.
»Natürlich! Erstens war er in den letzten Wochen zwei oder drei Mal bei uns in der Firma – für den Chef eines Konkurrenzunternehmens schon seltsam, nicht wahr?« Obwohl sie eine Frage gestellt hatte, erwartete die Rothaarige anscheinend keine Resonanz, denn sie fuhr ohne Pause fort: »Außerdem kennen wir beide ihn ja von unserem Informatik-Studium an der Fachhochschule in Karlsruhe, wo er einer unserer Profs war.«
»Toll! Dann seien Sie doch so lieb und beschreiben ihn uns mal kurz. Was ist er für’n Mensch? Was hat er für Eigenschaften usw.?«, bat Dr. Schönthaler in bester Kriminalistenmanier.
»Beschreiben?«, wiederholte Carmen und ließ ihren flackernden Blick über die Köpfe der Besucher hinweg durch das Weinzelt streifen. »In seinem Spezialgebiet war er ja ganz gut, wobei ich aber irgendwie den Eindruck hatte, dass er schon damals mehr Manager als Wissenschaftler war. Manche haben auch gemeint, er sei nur ein Schaumschläger und Wichtigtuer, der fachlich gar nicht viel drauf hat. Aber auf alle Fälle konnte er sich sehr gut ausdrücken und benehmen. Und er war immer freundlich. Irgendwie ist er halt so der Typ ›everybodies darling‹. – Ja, der hatte auch einen mordsmäßigen Schlag bei den Frauen, gell Judith?«
»Das war jetzt doch wirklich nicht notwendig, Carmen!«, beschwerte sich die rothaarige Frau und schoss mit ihren grünlichen Augen einen giftgetränkten Pfeil in Richtung ihrer Kollegin ab. »Das interessiert die Herren doch überhaupt nicht.« Sie legte eine kurze Pause ein und korrigierte sich. »Also gut: Da war mal ’ne kurze Affäre, aber da möchte ich eigentlich nicht drüber sprechen.«
Tannenberg verstand, obwohl der Federweiße allmählich immer deutlicher seine Wirkung zeigte. »Gut. Kennen Sie die anderen Bosse von FIT.net auch? Also diese CEOs, oder wie die heißen.«
»In der modernen Ökonomie sind Sie wohl nicht so zu Hause«, bemerkte Carmen sichtlich amüsiert.
»Wieso?«
»Ach, nur so.«
»Aber Sie haben Recht. Das ist wirklich nicht mein Ding. Auch wenn sich alle anderen heutzutage mit diesem Kram
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