Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
gleich wieder gehen, damit ich das gute Betriebsklima nicht weiter störe? Klar, Tannenberg ist der Störfaktor hier!«
»So hab ich das doch nicht gemeint!«, versuchte Schauß die aufschäumenden Wogen zu glätten.
»Michael, tu mir einen Gefallen und sag jetzt nicht so etwas wie: Wir sind doch alle froh, dass du wieder da bist!« Wolfram Tannenberg verspürte plötzlich keinen einzigen Schmerzzustand mehr, dafür aber einen unbändigen Energieschub. »Das würde meinem karrieregeilen Kollegen wohl so passen: Ich bin monatelang weg vom Fenster; und du übernimmst hier das Regiment. Und wenn ich dann nach langen Reha-Aufenthalten zurückkomme, wird mir mitgeteilt, dass das K1 einen neuen Leiter hat, den lieben Herrn Schauß! Aber ich sag Dir eins, ich bin vielleicht gestern Nacht abgestürzt, aber ich bin noch nicht krepiert – und solange ich das nicht bin, bin ich der Leiter des K1! Ist das ein für alle mal klar, Herr Kriminalkommissar?«
Da Tannenberg seine letzten Worte laut in den Raum hinausgeschrien hatte, ging Schauß’ einsilbiger, devoter Kommentar weitgehend unter.
»So einfach geht das aber nicht, Herr Hauptkommissar«, sagte plötzlich Oberstaatsanwalt Dr. Hollerbach, den Tannenberg in seinem ausgeprägten Erregungszustand überhaupt nicht kommen gehört hatte. »Sie können hier nicht eigenmächtig entscheiden, ob Sie dienstfähig sind oder nicht. Dafür gibt’s ja wohl die Ärzte. Und wenn ich Sie mir so anschaue, dürften Sie wohl kaum einen Arzt in Kaiserslautern finden, der bereit wäre, Sie diensttauglich zu schreiben. Außerdem war es nicht die Idee von Kommissar Schauß, vorübergehend die Leitung des Kommissariats zu übernehmen, sondern meine. Schließlich müssen die Ermittlungen in dem aktuellen Mordfall ja weitergehen. Und um die Arbeit so effizient wie nur möglich zu gestalten, brauchen wir natürlich eindeutige hierarchische Verhältnisse. Das dürfte Ihnen doch wohl einleuchten, oder?«
»Bin ich etwa suspendiert – oder so was ähnliches?«
»Wenn’s nach mir geht, sicher!«
»Wenn sich aber an den hierarchischen Zuständigkeiten, die Sie ja so wichtig finden, seit vorgestern nichts Gravierendes verändert hat, ist meines Wissens für solche Fragen immer noch der Polizeipräsident und nicht der Vertreter der Staatsanwaltschaft zuständig. Und den Herrn werde ich jetzt sofort konsultieren«, sagte Tannenberg siegessicher und ließ die Anwesenden wie wartende Hotelboys im Regen stehen.
Das hinter der verschlossenen Bürotür durchgeführte Telefonat mit seinem direkten Vorgesetzten gestaltete sich genauso positiv, wie er es erwartet hatte. Zum einen, weil der Polizeipräsident ihm in der Vergangenheit stets sehr wohlgesonnen war und zum zweiten, weil Tannenbergs Zusage, mit einem ärztlichen Attest seine Dienstfähigkeit nachzuweisen, den Polizeichef gänzlich zufrieden stellte.
Triumphierend setzte der gleichermaßen neue wie alte Kommissariatsleiter umgehend seine Mitarbeiter von dem Inhalt seines erfreulichen Telefongesprächs in Kenntnis und ging anschließend direkt zum Tagesgeschäft über: »So‚ Was gibt’s Neues in unserem aktuellen Mordfall? Ich höre!«
Kriminaltechniker Mertel ergriff als erster das Wort: »Also wir haben gestern nochmals das Treppenhaus und die Gegend um das Gebäude herum abgesucht. Blutspuren haben wir aber nirgends gefunden; was unsere Vermutung erhärtet, dass der Fundort auch der Tatort war.«
»Was ist mit der Bärenskulptur, die nach der verwegenen Hypothese unseres Docs als Tatwaffe in Betracht kommen könnte?«, fasste Tannenberg einen plötzlich aufkeimenden Gedanken in Worte.
»Nichts, keine Spur. Aber ich hab heute Morgen schon mit dem Hausmeister telefoniert. Und der behauptet doch tatsächlich, auf dem Schreibtisch dieser Frau Niebergall hätten zwei große Tierfiguren gestanden.«
»Das ist ja hochinteressant! Respekt, Herr Gerichtsmediziner!«, sprach der Leiter des K1 seinem imaginären Freund Anerkennung aus. »Dieses blöde Ding muss doch irgendwo zu finden sein. Das gibt’s doch gar nicht.«
»Warum?«, fragte Mertel. »Der Täter kann die Bärenskulptur doch auch mitgenommen haben.«
»Apropos, wie ist der Kerl – oder die Frau«, berichtigte sich Tannenberg selbst, »überhaupt zum Tatort gekommen? Und vor allem, wie ist er denn von dort wieder weggekommen? Ich mein, womit? Mit dem eigenen Auto, einem Taxi, mit dem Bus, zu Fuß?«
»Da haben wir vielleicht etwas entdeckt, Wolf.«
»Und
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