Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
heute kommst du mal mit mir.«
Die Suche nach dem Anwesen der Familie von Wandlitz auf dem Gersweilerhof stellte die beiden Ermittler vor keine allzu großen Orientierungsprobleme. Schließlich bestand diese im Norden vor den Toren der Stadt gelegene Annexe nur aus ein paar ehemaligen Gehöften und einem kleinen, allerdings sehr exklusiven Wohngebiet, das auch heute noch einen festen Platz unter den Geheimtipps der Ortskundigen einnimmt; konnte man hier doch nicht nur recht abgeschieden mitten in der Natur leben, sondern erreichte auch in weniger als zehn Minuten die Stadtmitte – oder den PRE-Park, wo sich die Firma FIT.net vor ein paar Jahren angesiedelt hatte.
Als Tannenberg, der sich, obwohl er seit seiner Geburt in Kaiserslautern lebte, nicht daran erinnern konnte, jemals hier oben gewesen zu sein, vor dem protzigen schneeweiß gestrichenen Doppeltor mit den kitschigen goldenen Türgriffen stand, fragte er sich, weshalb Leute, die ein bisschen mehr Vermögen als andere ihr eigen nennen konnten, nicht etwas weniger geschmacklos mit ihrem oft ja nur recht bescheidenen Reichtum umzugehen vermochten. Musste man sich denn wirklich auf solch eine aufdringliche Art gebärden?
Kurz nachdem Fouquet geläutet hatte, meldete sich über die Sprechanlage eine recht dunkle Frauenstimme, die über das Auftauchen der Kriminalpolizei nicht sehr verwundert zu sein schien.
Wie von Geisterhand schwang das Holztor leise surrend auseinander und gab den Blick nun gänzlich frei auf einen hellgelb verputzten Bungalow, dessen flach geneigtes Dach im Eingangsbereich weit ausladend nach vorne gezogen war und auf zwei, in diesem architektonischen Ambiente als völlig deplaziert zu bezeichnenden, weil viel zu dominanten, Steinsäulen ruhte.
Nach einem circa zwanzig Meter langen, an zahlreichen antiken Statuen vorbeiführenden, breiten Fußweg, dessen aus großflächigen Betonplatten bestehender Belag in der gleichen Farbe wie der monströse Zaun gehalten war, erreichten die beiden Männer eine opulente Marmortreppe, auf deren oberster Stufe ihnen eine schätzungsweise vierzigjährige, dunkelhaarige Frau huldvoll die Hand entgegenstreckte.
Tannenberg war fast geneigt ›Küss die Hand, gnädige Frau von Wandlitz‹ zu sagen und ihre mit welker Haut überzogene und reichlich beringte Hand ehrerbietend an seine Lippen zu führen. Aber er ließ es dann doch lieber bleiben, zumal die Dame ihm von Näherem betrachtet lange nicht mehr so attraktiv erschien, wie noch vor ein paar Sekunden, als eine gewisse räumliche Distanz ihr wahres Alter, das eher so um die fünfzig angesiedelt sein durfte, geschickt verschleiert hatte.
»Gestatten, Charlotte von Wandlitz. Womit kann ich Ihnen dienen, meine Herren?«, fragte sie in einem derart perfekt vorgetragenen, akzentfreien Hochdeutsch, dass es Tannenberg wie immer, wenn er auf solch einen beneidenswerten Zeitgenossen traf, zuerst einmal einen gewissen Schock versetzte.
Aber diese ungeliebten Konfrontationen mit Menschen, die sich im Gegensatz zu ihm, scheinbar mühelos der deutschen Hochsprache zu bedienen vermochten, zeitigten auch positive Konsequenzen, denn sie ersparten dem Ermittler die Nachforschungen über den Geburtsort der betreffenden Person. So auch in diesem Fall. Ihm war sofort klar, dass diese elegante Frau niemals in einem pfälzischen Krankenhaus das so genannte Licht der Welt erblickt haben konnte.
Aber nicht nur wegen der plakativ zur Schau getragenen Sprachkompetenz der Professorengattin fühlte sich Tannenberg in diesem pseudofeudalen Ambiente nicht wohl, sondern auch, weil seine körperlichen Blessuren das Interesse der apart gekleideten Dame zu wecken schienen. Da er keine Lust hatte, ihre ziemlich dreiste Neugierde auch nur ansatzweise zu befriedigen, arbeitete er die ihn interessierenden Fragen zügig ab.
Frau von Wandlitz nahm dabei kein Blatt vor den Mund, weder in Bezug auf ihre, wie sie wörtlich sagte, ›von einem moderner Toleranzbegriff geprägte‹ Ehe, noch bezüglich der Namensumwandlung ihres Mannes, die primär aus marketingstrategischen Gründen erfolgt sei. Schließlich ließe sich ein modernes, innovatives Technologieunternehmen besser mit einem adligen CEO vermarkten als mit einem Firmenchef, der nur über einen billigen Allerweltsnamen verfüge.
Da ihr durch Heirat in den Adelsstand erhobener Ehegatte leider nicht in Kaiserslautern weilte, sondern einem hochsolventen – wie Frau von Wandlitz eigens mehrfach betonte – Kunden im Ruhrgebiet einen
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