Goldschatz
sie zu Bett ging, einsamer fühlte, als es die Situation rechtfertigte. Was war los mit ihr? Anstatt darüber nachzudenken, wie sich ihr aktuelles Problem lösen ließ, machte sie sich Gedanken darüber, was Ace gerade tat. Hatte er eine Decke? Die Klimaanlage war ziemlich hoch geschaltet, sodass er sicher etwas zum Zudecken brauchte. Und was war mit einem Kissen? Sie zog sich das Kissen über den Kopf und sagte leise Jeremys Namen vor sich hin, bis sie schließlich darüber einschlief.
Kapitel 15
Wenn ich noch einen Kleie-Muffin esse, platze ich«, stöhnte Fiona. »Was glaubst du? Ob diese Leute die Dinger nach Gewicht beurteilen? Wenn der Muffin beim Hinfallen den Fußboden durchbricht, war das das beste Rezept?«
»Nur, wenn es ein Steinboden ist«, entgegnete Ace über den Küchentresen hinweg ernst.
Es war früh am Sonntagmorgen und sie wohnten seit drei ganzen Tagen in dem Haus in der Rentneranlage. Und sie waren beide ihren Lebtag noch nie so erschöpft gewesen.
Von dem Augenblick an, als sie in ihr neues Versteck eingezogen waren, hatte man sie förmlich mit Einladungen überhäuft. Zuerst waren sie noch guter Dinge gewesen.
»Jetzt werden wir alles klären«, hatte Fiona an ihrem ersten Abend gesagt, worauf Ace zustimmend gelächelt hatte. Sie hatten sich beide eine Gemeinschaft alter Leute vorgestellt, deren Gedächtnis ein wenig angeschubst werden musste, waren aber sicher, dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Sie waren sich einig gewesen, dass das größte Problem darin bestehen würde, ihren Nachbarn glaubhaft zu machen, dass sie und Ace alt genug waren, in der Anlage der über Fünfzigjährigen zu wohnen.
Aber die erste Frau, die Fiona begegnet war, hatte nur gemeint: »Wow, Sie sehen großartig aus. Wer ist Ihr Schönheitschirurg?«
Fiona hatte die Frau nur sprachlos angestarrt. Sie hatte den Körper einer Zwanzigjährigen, trug knappe Shorts und dazu ein T-Shirt in Kindergröße, das ihre großen, festen Brüste nur knapp bedeckte. Das blonde Haar war zu einem dicken Pferdeschwanz gebunden und Fiona konnte auf ihrer makellosen Haut kein Fältchen entdecken. Sie joggte beim Reden auf der Stelle. »Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Sport machen möchten«, meinte sie und musterte Fiona von Kopf bis Fuß, wobei sie offensichtlich zu dem Schluss kam, sie wäre zu unsportlich. »Vielleicht kann ich Ihnen ein paar Tipps geben.«
»Äh, sicher«, murmelte Fiona. »Vielleicht nächste Woche.« Ace hinter ihr schnaubte. Offenbar war ihr ganzes Gerede über Verkleidungen hinfällig. Dank plastischer Chirurgie und konsequenten Trainings sahen einige Leute in Blue Orchid jünger aus als sie selbst.
Bis zur bundesweiten Ausstrahlung von Raphael blieb nur noch eine Woche und diese Tage mussten sie nutzen, um möglichst viel über das zu erfahren, was sich 1978 ereignet hatte, als Fiona elf Jahre alt gewesen war.
Aber nach drei Tagen hatten sie noch nichts erfahren, was ihnen in irgendeiner Weise geholfen hätte, Licht ins Dunkel zu bringen.
»Glaubst du, sie waren damals alle in Woodstock?«, fragte Fiona, während Ace die Omeletts wendete. Das Haus, in dem sie wohnten, war hell und freundlich und schon in dieser kurzen Zeit war es Fiona so sehr ans Herz gewachsen, dass sie es beinahe als »Zuhause« betrachtete. Es war eins der Musterhäuser der Anlage gewesen und deshalb von Profis ausgestattet worden bis hin zum Porzellan und dem voll ausgestatteten Arbeitszimmer. Es war zwar für Fionas Geschmack ein wenig zu sehr in Schwarz-Weiß gehalten, aber es war unglaublich gemütlich, sodass sie sich fast vorstellen konnte, ständig dort zu leben.
Sie kochte Kaffee, so wie Ace ihn mochte, aus drei verschiedenen Sorten von Kaffeebohnen, die zu gleichen Teilen zusammen gemahlen wurden. »Wo ist deine ...«, fragte sie abwesend und folgte dann seinem Blick. Er hatte gewusst, dass sie seine Kaffeetasse suchte, ein großer Becher mit großem Henkel und keine der hübschen winzigen Tässchen, die zum Hausinventar gehörten.
»Woodstock?«, wiederholte Ace. »Wenn man ihnen glaubt, ja.« Er ließ Fionas Omelett auf einen Teller gleiten. Es war genauso, wie sie es mochte, mit mehr grünem Paprika als Zwiebeln und nicht so viel schwarzem Pfeffer wie bei seinem Ei.
»Glaubst du, sie lügen?«, fragte sie, als sie die Bagels aus dem Toaster nahm: Sesam für sie, Mohn für ihn, ein wenig Butter für sie, eine großzügige Menge für ihn.
»Ehrlich gesagt denke ich, dass sie sich nicht daran erinnern. Ich glaube, sie
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