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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Buick abschloss und die Straße überquerte, fühlte er sich beobachtet, doch niemand war zu sehen. Erst als er das Grundstück schon betreten hatte, sprach ihn ein Mann an, der im Schatten eines Baumes stand.
    »Was wollen Sie hier?«
    Rath tat wie empfohlen und zeigte seinen Dienstausweis. Er glaubte den Mann zu kennen, der einen Blick auf die Papiere warf. Einer von denen, die damals am Ostbahnhof dabei gewesen waren, einer der Wächter des Sorokin-Goldes. Der Mann reichte ihm den Ausweis zurück, und Rath ging zur Haustür.
    Hugo Lenz hatte ein nettes Häuschen im Prinzenviertel vonKarlshorst bezogen, ganz in der Nähe seiner geliebten Rennbahn. Das konnte sich längst nicht jeder leisten, nur weil er Vorsitzender eines Ringvereins war. Die Zusammenarbeit mit Marlow schien sich auszuzahlen für den Ex-Schränker. Bislang jedenfalls.
    In der Küche störte Rath drei Männer beim Kartenspielen, die herumfuhren, als der Kommissar den Raum betrat. Einer hatte sogar seine Waffe gezogen. Auch hier zeigte Rath seinen Ausweis, und die drei entspannten sich wieder.
    »Tun Sie sich keinen Zwang an«, sagte der mit der Waffe. »Schauen Sie sich in Ruhe um.«
    Rath nickte. Sein Herz klopfte. Gut, dass Marlow die Männer vorgewarnt hatte.
    »Was wolltest du noch spielen?«, fragte einer. Den späten Besucher beachtete schon niemand mehr.
    »Grand Hand«, sagte der mit der Waffe und legte die Pistole auf den Tisch. »Und wehe, einer von euch Drecksäcken hat mir in die Karten geguckt!«
    Rath verließ die Küche wieder. Warum Marlow die Wohnung so gut bewachen ließ, wo Hugo Lenz doch gar nicht hier war? Ob sie hier etwas anderes bewachten? Oder einfach nur verhindern wollten, dass die Nordpiraten die Berolina endgültig demütigten, indem sie das Haus ihres Vorsitzenden abfackelten?
    Der Salon war ziemlich bieder eingerichtet und offenbarte den kleinbürgerlichen Geschmack eines Schränkers, der zu Geld gekommen war. Überall Teppiche, Plüsch und Pomp. Geschmacklich war Hugo Lenz auf dem Stand von ungefähr 1890 stehen geblieben. Fehlte nur das Kaiserporträt über dem Klavier, die obligatorische Beethovenbüste jedenfalls stand an ihrem Platz. Rath bezweifelte, dass Hugo Lenz Klavier spielen konnte, aber so ein schwarzglänzendes Instrument gehörte eben zu einer feinen Wohnung, wie der rote Hugo sie sich vorstellte. Auch die Bücher in den Regalen erfüllten die Vorgaben eines kleinbürgerlichen Bildungskanons, standen nach Farben sortiert in den Regalen und sahen sämtlich ungelesen aus. Rath schaute sich um. In den Schränken fand er weder etwas Auffälliges, noch etwas Wertvolles. Er wusste nicht, was er suchte, das war auch nicht immer wichtig; oft fand man gerade dann etwas, wenn man nichts Bestimmtes suchte. Der Raum wirkte nicht so, als habe Hugo Lenz hier wirklich jemalsgelebt; sein eigentliches Wohnzimmer war dann wohl doch eher die Amor-Diele . Ganz anders sah es im Schlafzimmer aus, ein Raum von beachtlicher Größe. Das Bett war nicht gemacht; eine getragene Hose lag quer über einem Stuhl, alte Socken und Unterhosen auf dem Boden. Das Durcheinander zeugte davon, dass Hugo Lenz offenbar nicht damit gerechnet hatte, zu verschwinden. Ein Blick in den Kleiderschrank bestätigte diesen Eindruck: Keine leeren Bügel, nichts schien zu fehlen. Sollte Lenz freiwillig das Weite gesucht haben, aus welchem Grund auch immer, so hatte ihm jedenfalls die Zeit zum Packen gefehlt. Rath schloss diese Möglichkeit, an die er auch gedacht hatte, immer mehr aus: der rote Hugo als Überläufer, übergelaufen zur Polizei oder zu den Piraten, um dann Johann Marlow den Todesstoß zu versetzen. Ein Szenario, das ihn nicht traurig gestimmt hätte.
    Hugo Lenz besaß sogar eine Art Arbeitszimmer, jedenfalls wurde der Raum von einem wuchtigen Schreibtisch beherrscht. Rath wühlte sich durch die Schubladen, doch fand er weder einen Kalender noch ein Notizbuch, ja überhaupt irgendwelche Papiere. Die einzigen Briefe, die in diesem Schreibtisch lagen, das waren rund ein Dutzend Kokainbriefchen. Rath tat, worum Marlow gebeten hatte: Er vergaß, dass er Polizist war.
    Auch die Schublade darunter enthielt Verbotenes. Verbotene Fotos. Pornografische Fotos. Nichts Geschäftliches, wie es aussah, nur für den Eigengebrauch. Das waren keine Inszenierungen, wie Rath sie von seiner Arbeit bei der Sitte kannte, das waren Schnappschüsse, wenn auch äußerst gelungene. Da hatte irgendein begabter Fotograf einfach das Bühnenprogramm des Venuskellers

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