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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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nur gucken konnte. »Ich verbitte mir solche Unterstellungen und ... und Angriffe auf die Ehre der SA!«
    »Die Ehre der SA. Die hat Ihr ominöser Verfolger doch auch beschmutzt mit seinen Pöbeleien, oder?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Dass ich mich wundere, dass vier SA-Leute einfach so den Schwanz einziehen, wenn sie beleidigt werden.«
    »Na, der Mann wirkte, als sei er nicht ganz bei sich. Besoffen, Drogen, was weiß ich. So einem geht man doch aus dem Weg.«
    »Aber das hat nicht geklappt, weil er Ihnen gefolgt ist.«
    Sieger nickte. »An so ’ner Wiese, da hat er uns eingeholt. Und gleich wieder losgepöbelt. Wir dachten wirklich, der ist bekloppt. Bis er die Pistole gezogen hat.«
    »Was war denn das für einer? Ein Kommunist?«
    »Dafür war er viel zu elegant gekleidet.«
    »Ein Salonkommunist.«
    »Ein Ausländer, würde ich sagen. Sprach gut Deutsch, aber hat manchmal so komische Wörter benutzt.«
    »Ein Russe?«
    »Ein Bolschewik in so einem Anzug? Ne! Eher ein Ami.«
    Gräf musste an die amerikanische Zigarettenkippe denken, deren Herkunft Grabowski herauszufinden versuchte. Irgendetwas schien an Siegers Geschichte dran zu sein, so abstrus sie auch klang: Ein SA-Trupp, der angepöbelt wird und dann friedfertig das Feld räumt, das mochte glauben, wer wollte, Reinhold Gräf glaubte das nicht. Aber einen wahren Kern schien die Geschichte zu haben.
    »Ein Ami? Und der hat Sie alle vier ganz allein eingeseift?«
    »Das ist wohl nicht so ganz das passende Wort.« Sieger wirkte beleidigt. »Dem Kameraden Schlüter hat er das Nasenbein gebrochen und den Kameraden Mohnert zu Boden geschlagen. Und den Kameraden Kubicki ...« Der Scharführer brach ab, die Trauer schien ihn zu übermannen.
    »Was er mit dem gemacht hat, das würde mich am meisten interessieren.«
    »Aber das haben Sie doch gesehen.«
    »Erzählen Sie!«
    »Na, er hat auf ihn geschossen, dieses Schwein.«
    »Bitte etwas genauer.«
    »Hat ihm in den Fuß geschossen. Und dann hat er gesagt, wenn wir nicht sofort verschwinden, macht er uns alle fertig.«
    »Und daraufhin sind Sie verschwunden.«
    Sieger nickte.
    »Und haben Ihren ... Kameraden mit der Fußverletzung einfach liegen gelassen.«
    »Gerd ist doch auch abgehauen. Konnten wir denn ahnen, dass der unseren Kameraden noch verfolgt und einfach so absticht?«
    Gräf schaute Sieger in die Augen, als könne er darin die Wahrheit finden.
    »Könnten Sie den Mann beschreiben?«, fragte er. »Ich meine: so, dass ein Polizeizeichner ein Porträt anfertigen könnte?«
    Sieger nickte, und Gräf reichte ihm seine Karte.
    »Kommen Sie morgen früh zum Alex, Inspektion A. Zehn Uhr.
    Bis dahin habe ich einen Zeichner für Sie organisiert.«
    55
    R ath blätterte in einem der Tom-Shark-Krimis, die Czerwinski ihm überlassen hatte. Die waren zwar schwachsinnig, aber immer noch besser als die Langeweile. Das Hotelgespenst. Der Titel passte zu seiner Arbeit. Manchmal glaubte Rath wirklich, dass sie ein Gespenst überwachten, so selten hatte sich Abraham Goldstein in den letzten Tagen blicken lassen. Er gähnte. Noch eine knappe Stunde, dann käme Czerwinski und würde die Nachtschicht übernehmen.
    In Suite 301 hatte sich den ganzen Tag nicht viel getan. Heute hatte sich der Mann nicht einmal Frühstück aufs Zimmer kommen lassen. Rath blätterte zurück im Notizbuch. Gestern Abend gegen sieben hatte Czerwinski ihn zum letzten Mal gesehen, da hatte Goldstein freundlich gegrüßt, war hinunter in die Halle gefahren,hatte einen Whisky an der Bar getrunken, eine Zigarette geraucht und war dann wieder nach oben. Ein Ausflug von einer halben Stunde, wie der Kriminalsekretär penibel notiert hatte.
    Marion schien heute ihren freien Tag zu haben; ein anderes Zimmermädchen, das Rath noch nicht kannte, kam den Gang herunter, deutlich älter und weniger ansehnlich als ihre hübsche Kollegin, um nicht zu sagen: abgrundtief hässlich. Rath musste grinsen. Das geschah dem Ami recht! Um Marion hatte er ihn schon fast ein wenig beneidet, auch wenn er nicht glaubte, dass Goldstein wirklich etwas mit ihr angefangen hatte. Aber allein der Anblick ... Rath stellte sich Marion beim Bettenmachen vor, das konnte es einem schon leichter machen, auf dem Zimmer zu bleiben.
    Dagegen das Zimmermädchen, das jetzt an die Tür der Suite 301 klopfte ... Vielleicht würde sie Goldstein zu Tode erschrecken. Oder ihr würde gelingen, was der Berliner Polizei in all den Tagen nicht gelungen war: Abraham Goldstein endlich aus der

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