Goldstein
Stadt zu ekeln.
Rath beobachtete sie aus dem Augenwinkel, während er in Czerwinskis Groschenroman blätterte. Sämtliche Gesichtszüge der Frau wiesen nach unten. Hässlich und schlecht gelaunt, Rath gönnte Goldstein diesen Anblick von Herzen. Doch der Amerikaner öffnete nicht.
Das Zimmermädchen klopfte noch einmal, und Rath wunderte sich. War der Ami eingeschlafen? Oder ahnte er, was ihn erwartete? Das Mädchen klirrte mit einem Schlüsselbund, öffnete die Tür und trat ein. Rath legte den Roman beiseite und schaute gebannt auf die Zimmertür. Tom Shark hatte nun endgültig seine Aufmerksamkeit verloren.
Was nun folgte, gab einen interessanten Einblick in die Hierarchie des Excelsior . Zunächst war es ein etwas älterer Boy, der aus dem Aufzug kam und die 301 ansteuerte, anklopfte und in der Suite verschwand, kaum hatte sich die Tür geöffnet. Keine Minute später war es Teubner, der Portier, der eilenden Schrittes auf den Korridor trat, keinen Blick für Rath übrig hatte und den gleichen Weg nahm.
Und dann war mit einem Mal die Hölle los, plötzlich ging es auf der Etage zu wie in einem Bienenschlag, ein einziges Kommen und Gehen. Unter all den offiziell und wichtig wirkenden Menschenkonnte Rath Grunert, den Hoteldetektiv, ausmachen und sprach ihn an.
»Was ist denn los?«, fragte er.
»Dass so etwas passiert, hätte ich niemals gedacht«, sagte Grunert. »Wo doch selbst die Polizei ihn überwacht.«
»Was meinen Sie?«
Grunert schaute ihn an. »Kommen Sie mit, sehen Sie selbst.«
Rath befürchtete das Schlimmste, als er durch die Tür von 301 trat. Lag Goldstein womöglich tot im Bett? War er vor Langeweile gestorben, hatte er sich das Leben genommen? Oder war es irgendeinem verfeindeten Gangster gelungen, ihn zu töten? Irgendeinem Fassadenkletterer? Oder einem Scharfschützen, der sich auf dem Dach des Anhalter Bahnhofs auf die Lauer gelegt hatte?
Aber da lag niemand tot im Bett oder in der Badewanne. Eine ganze Menge Menschen standen in der luxuriösen Suite, und dennoch wirkte sie seltsam leblos. Steril. Obwohl das Bett nicht gemacht war und die Papierkörbe nicht geleert. Rath folgte Grunert in den Schlafraum. Der Hoteldetektiv ging zum Kleiderschrank hinüber und öffnete sämtliche Türen. Leere Bügel klapperten an der Stange; sämtliche Fächer gähnten ihm leer entgegen.
»Weg«, sagte Grunert. »Der Gast hat sich einfach aus dem Staub gemacht.«
Rath brauchte einen Moment, bis er verstand. Und dann wusste er, dass er ein Problem hatte. Ein großes Problem.
Das war schlimmer als ein toter Goldstein. Ein verschwundener Goldstein.
Jetzt weißt du endlich, wie sich Charly gefühlt haben muss, dachte er und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen.
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Zweiter Teil
STRAFE
Sonntag, 5. Juli, bis Samstag, 18. Juli 1931
Paulie
You didn’t go to hell! You went to Purgatory, my friend.
Christopher
I forgot all about Purgatory.
Paulie
A little detour on the way to Paradise.
Christopher
How long you think we gotta stay there?
Paulie
Now that’s different for everybody. You add up all your
mortal sins and multiply that number by fifty. Then you
add up all your venial sins and multiply that by twenty-five.
You add ’em together, and that’s your sentence. I
figure I’m gonna have to do about six thousand years
before I get accepted into Heaven. And six thousand
years is nothin’ in Eternity terms. I can do that standin’
on my head. It’s like a coupla days here.
The Sopranos, Season 2, Episode 9, From Where to Eternity
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56
D ie Wunde heilte gut, bald würde sie den Verband abnehmen können. Eine ziemlich große Narbe zog sich quer über den Handrücken, die würde sie wohl als Andenken behalten, da war nichts zu machen. Na, guck dich doch an, Mädchen, bist eh nicht die Schönste! Alex schenkte ihrem Spiegelbild ein schiefes Grinsen, warf den alten, blutgetränkten Verband in den Müll und begann, einen frischen um ihre Hand zu wickeln. Die Mullbinde, die Helmut ihr gegeben hatte, würde noch für ein bis zwei neue reichen. Als sie fertig war, ging sie zum Fenster und schaute hinaus. Lieber wäre sie durch die Pfützen gehüpft wie die Kinder unten im Hof, als hier oben zu sitzen und die Luft anzuhalten, sobald auch nur Schritte im Treppenhaus zu hören waren.
Sie war allein in der Wohnung. Martha und Helmut waren unterwegs; die Schwägerin hatte darauf bestanden, mit ihrem Mann ins Grüne zu fahren. Helmut hatte vorgeschlagen, zuhause zu bleiben und
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