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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Auftrag für ihn hat ...«
    »Eine gewisse Nervosität herrscht tatsächlich in der Stadt«, sagte Weiß, »die Ringvereine wissen Bescheid. Noch bevor das Bureau uns informierte, haben unsere Spitzel entsprechende Gerüchte aus dem Milieu gemeldet, dass ein Amerikaner in der Stadt erwartet wird.«
    »Und was machen wir nun mit dem Mann? Wenn die Amis ihm schon nichts anhaben können, was können wir dann tun?«
    »Wir überwachen Goldstein. Rund um die Uhr. Und zwar so, dass er es merkt. Der Mann soll wissen, dass er unter Beobachtung steht, dass er keinen Schritt tun kann, ohne dass die Polizei es weiß. Sollte er wirklich nach Berlin kommen, um jemanden zu töten, müssen wir ihm zeigen, dass er besser gleich wieder nach Hause fährt. Unverrichteter Dinge.«
    »Mit Verlaub, Herr Vizepräsident, aber wäre so etwas nicht eigentlich eine Aufgabe für die Fahndung?«
    »Ich werde mit Ihnen sicherlich nicht die Zuständigkeiten diskutieren.« Weiß’ Stimme klang mit einem Mal schneidend und scharf wie auf dem Kasernenhof, eine Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Man merkte, dass der Mann als Offizier im Krieg gewesen war. »Wie Sie soeben selbst bemerkt haben«, fuhr er fort, »geht es womöglich darum, einen Mord zu verhindern. Ich denke, das allein dürfte die Wichtigkeit dieser Aufgabe erklären.«
    Rath nickte wie ein Schuljunge.
    »Sie leiten diese Operation. Trommeln Sie ein paar Männer zusammen, und dann machen Sie sich auf den Weg. Im Excelsior hat Goldstein eine Suite reserviert. Da kennen Sie sich doch aus, nicht wahr?«
    Im Excelsior hatte Rath eine Zeit lang gewohnt, als er vor gut zwei Jahren nach Berlin gekommen war. Allerdings nicht in einer Suite, sondern in einem Einzelzimmer der billigsten Kategorie. Auch das schien Weiß recherchiert zu haben.
    »Und was soll ich tun? Goldstein mit einem Strauß Blumen vom Bahnhof abholen?«
    Weiß verzog keine Miene. »Ob Sie ihn auf dem Bahnsteig empfangen oder im Hotel, das ist mir gleich. Solange Sie dem Mann von Anfang an klarmachen, dass er sich hier bei uns anständig zu benehmen hat. Er soll ...«
    Das Telefon klingelte. Weiß nahm ab. »Ja, was ist denn«, sagte er ärgerlich.
    Rath war sich nicht sicher, ob die Audienz bereits beendet war; er blieb sitzen.
    Weiß machte ein ernstes Gesicht, während er in den Hörer lauschte. »Ich fahre selbst raus«, sagte er schließlich, »lassen Sie einen Wagen kommen und geben Sie Heimannsberg Bescheid.« Er legte auf. »Ich denke, wir haben alles geklärt, Herr Kommissar«, sagte er zu Rath. »Machen Sie sich an die Arbeit, erstatten Sie mir morgen persönlich Bericht, wie alles angelaufen ist. Ich muss jetzt los. Zur Uni.«
    Eigentlich hatte Weiß wohl nichts mehr sagen wollen, doch dann musste er Raths fragendes Gesicht gesehen haben.
    »Studentenkrawalle«, sagte er. »Der Rektor hat die Polizei um Hilfe gebeten.«
    3
    K omisch, diese Deutschen. Überall wollten sie seinen Pass sehen. Auf dem Schiff, im Hafen, in der Eisenbahn. Und jetzt auch noch im Hotel. Er schaute dem Empfangschef zu, wie er Namen, Adresse und Passnummer sorgfältig in das große, schwarzlederne Anmeldebuch eintrug.
    »We didn’t expect you so early, Mister Goldstein«, sagte der Mann, dessen Scheitel aussah wie mit dem Lineal gezogen, und schob ihm den US-Pass zurück über den Tresen, »but suite three-o-one is now ready for you.« Er sprach den Namen Gollt-schtein aus, wie alle hier in diesem Land.
    Goldstein steckte den Pass ein. »Vielen Dank, sehr freundlich.«
    »Ah, Sie sprechen Deutsch!« Der Empfangschef zog die Augenbrauen hoch, während er mit einer unauffälligen Bewegung seines Zeigefingers einen goldbetressten Pagen heranwinkte.
    »Sure.«
    Die Miene des Empfangschefs blieb regungslos, als er dem Pagen die Zimmerschlüssel reichte. »Die dreihunderteins«, sagte er, und der Junge packte die Koffer auf einen Wagen.
    »Wenn der Herr mir bitte folgen wollen«, sagte der Page und schob los zu den Aufzügen. In seiner etwas zu kleinen Livree wirkte er wie ein dressierter Affe, der seinem Leierkastenmann entlaufen war. Goldstein fragte sich, warum sie dem Jungen, der eine goldene Siebenundreißig auf seiner Mütze trug, nichts in seiner Größe gegeben hatten.
    Wie Rahel Goldstein, die ihren einzigen Jungen die Hosen immer so lange hatte tragen lassen, bis auch dem letzten Tramp auffiel, dass sie viel zu kurz waren. Rahel Goldstein, die ihre düstere Wohnung nur verlassen hatte, um in die Synagoge zu gehen oder auf den Markt.

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