Goldstein
Er genoss den Anblick des hin und her und vor und zurück wackelnden Pos noch ein paar Sekunden, dann räusperte er sich laut und vernehmlich, und das Mädchen fuhr herum, erschrocken, wie er zunächst auch glaubte, doch dann sah er ihre Augen und wusste, dass sie sich mit Absicht hatte erwischen lassen. Sie war scharf auf Trinkgeld.
»Entschuldigung, der Herr.« Sie machte einen höflichen Knicks und blickte zu Boden, was wohl verlegen wirken sollte, doch ihre Augen blitzten frech, als sie wieder aufschaute. »Excuse me, Sir. I’m Marion, your chambermaid. Ihr Zimmermädchen.«
Ihr Englisch war gar nicht mal schlecht. Und offensichtlichwusste sie, dass der neue Gast Amerikaner war. »Ich schätze Zimmermädchen, die ihren Aufgaben gewissenhaft nachgehen«, sagte er. »Lassen Sie sich von mir bitte nicht bei der Arbeit stören.«
»Ich bin eigentlich jetzt fertig hier.« Sie schenkte ihm noch einen ihrer perfekt unschuldigen Blicke. »Wenn der Herr mich nicht mehr brauchen.«
Er zückte sein Dollarbündel und legte ihr drei Scheine in die Hand. »Wenn ich Sie so anschaue, könnte ich Sie bestimmt noch einmal brauchen.«
»Immer zu Diensten, der Herr. Schicken Sie nach Marion, ich muss jetzt weiter.«
Sie steckte die Scheine ein, als sei ein Trinkgeld in dieser Höhe selbstverständlich, und klemmte sich einen Stapel Handtücher unter den Arm. Auch ihr Profil konnte sich sehen lassen. Als sie sich an ihm vorbeidrückte, streifte sie ihn beiläufig, und Goldstein spürte das Blut zwischen seinen Beinen pulsieren. Er folgte dem Mädchen in den Salon, doch Marion hatte die Tür zum Gang bereits geöffnet.
»Marion«, rief er schnell, bevor sie verschwunden war, und sie blieb im Türrahmen stehen und wartete. Hinter ihr ging ein älterer Herr über den Korridor und schielte neugierig hinüber. Goldstein schwenkte vorsichtshalber auf Englisch um. »May I see you again, Marion?«, sagte er. »You know, I could need some company in this town ...«
Sie stand in der Tür und schaute hoch zu ihm mit ihren großen blauen Augen, auf eine Weise, dass er seine Erektion nun ganz deutlich spürte. Wahrscheinlich konnte sie es sogar sehen, aber das war ihm egal.
»Ich muss jetzt wirklich weiter«, sagte sie. »Aber um vier hab ich Feierabend.«
»Ich bin hier. Klopfen Sie einfach an.«
4
D ie Rigaer Straße war auch sonst keine schöne Straße, doch hier war sie am hässlichsten, genau an dieser Stelle. Als habe Kalli sich ganz bewusst für die mieseste Adresse entschieden, die man in dieser ohnehin nicht gerade feinen Gegend finden konnte. Alex war mit der Neun zum Baltenplatz gefahren und den Rest des Weges zu Fuß gelaufen, jetzt stellte sie die schwere Tasche ab und blieb einen Moment vor dem Schaufenster stehen. Eberhard Kallweit, An- und Verkauf war in weißer Farbe quer über das Glas gemalt. Aller mögliche Krempel verstaubte hinter der Glasscheibe, ein Grammofon, eine Schreibmaschine, ein elektrischer Staubsauger, ein Telefon, vier Stühle, die allesamt nicht zueinander passten, und ein Gummibaum, bei dem nicht ersichtlich war, ob er zur Ladeneinrichtung gehörte oder zum Warenbestand. Nichts von alldem war jemals verkauft worden, in all den Monaten nicht, da Alex den Laden nun kannte. Das eigentliche Geschäft machte Kalli mit den Dingen, die nicht in der Auslage zu finden waren und die in keiner Buchführung auftauchten.
Im Laden war keine Kundschaft zu sehen, Alex nahm ihre Tasche und stieg die Stufen hoch.
Es bimmelte hell und ein wenig heiser, als sie die Klinke drückte und eintrat. Kalli lauerte hinter dem Tresen in seinem grauen Kittel und hatte sein übliches Krämerlächeln aufgesetzt, das im selben Augenblick einfror, da er sie erkannte. Den Bruchteil einer Sekunde verharrte er lächelnd in einer Art Schockstarre, dann zischte er sie an, so leise, als fürchte er, jemand könne mithören. »Bist du verrückt, hier einfach so reinzuschneien. Was ist, wenn Kunden kommen?«
»Du warst nicht da, gestern bei Krehmann.«
»Du hast Nerven, Mädchen, das muss ich schon sagen! Du warst bei Krehmann, nach alldem, was passiert ist? Nachdem ihr die Sache dermaßen verbockt habt! Die Polente ist hinter dir her, weißt du das?«
»Verbockt?« Alex konnte es nicht fassen. Kalli, dieses Arschloch! »Verbockt nennst du das? Benny ist tot, verdammt noch mal.«
»Was muss er auch an Kaufhausfassaden rumkraxeln?«
»Er wollte nicht erwischt werden. Wenn dieser Bulle ihn nicht runtergetreten hätte, würde er noch
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