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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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leben.«
    »Was zum Teufel erzählst du da?«
    »Da war ein Bulle hinter ihm her. Der hat ihm die Finger zerquetscht, bis er sich nicht mehr halten konnte, deshalb ist Benny in den Tod gestürzt. Der hat ihn umgebracht. Und ich musste es mit ansehen und konnte nichts tun.«
    Kalli schüttelte den Kopf. »Verdammt, hätt ich mich doch niemals eingelassen mit diesem Kindergarten!« Er schien mit seiner Registrierkasse zu sprechen, die schaute er jedenfalls an, während er sprach. »Ich hätte ahnen sollen, dass das schiefgeht.«
    Alex verlor die Fassung. » Du hast uns ins KaDeWe geschickt«, fauchte sie ihn an. »Sonst ist immer alles glattgegangen, bei Tietz und bei Karstadt, da waren keine Bullen, da gab’s nie Probleme. Aber du wolltest ja unbedingt, dass wir das KaDeWe machen.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts. Nur, dass du uns da reingeschickt hast, weil du scharf warst auf die Sachen.« Alex stellte die Tasche auf den Tresen. »Und wir haben sie für dich rausgeholt.«
    Kalli starrte die Tasche an. Dann riss er sie mit einer schnellen Handbewegung vom Tresen. »Spinnst du, damit einfach durch die Gegend zu spazieren? Und zu mir in den Laden zu kommen?«
    » Du warst gestern nicht da, bei Krehmann, dann muss ich’s dir wohl vorbeibringen. Uhren und Schmuck, wie abgemacht.«
    »Abgemacht war, dass ihr euch nicht erwischen lasst.«
    »Sie haben Benny erwischt. Mich nicht.«
    Der dünne Mann im grauen Kittel zuckte bedauernd mit den Achseln. »Was soll ich damit, Mädchen? Das Zeug ist verbrannt, nach all dem Zinnober, den ihr da im KaDeWe veranstaltet habt. Den Krempel kriegt doch kein Mensch mehr verkauft, nicht einmal ich.«
    »Wir haben überhaupt nichts veranstaltet, wir mussten uns mit den Bullen rumschlagen!« Alex wurde lauter, sie schrie fast. »Benny ist draufgegangen für diesen Mist! Und du sagst mir, du willst es nicht mehr? Ich glaub, ich hör nicht richtig!«
    »Schon gut, Alex, reg dich nicht so auf!« Kalli hob beschwichtigend die Hände. »Lass doch erst mal sehen, was du da so alles hast. Aber nicht hier, komm mit nach hinten.«
    In dem kleinen Raum hinter dem Laden roch es nach Zwiebeln und Bier. Kalli räumte einen Teller und zwei leere Bierflaschen ab und stellte die Tasche auf den Tisch. Aus der Brusttasche seines Kittels holte er ein abgestoßenes Lederetui, klappte es auf und fummelte eine Brille heraus. In seinem Kittel und mit dem schiefen Drahtgestell auf der Nase erinnerte er an einen verrückten Chemieprofessor. Er setzte sich an den Tisch und hielt jede einzelne Uhr, die er in der Tasche fand, vor seine verbogene Brille.
    »Allet Uhren«, sagte er nach einer Weile und klang enttäuscht. »Und Schmuck haste jar keenen?«
    »Den haben die Bullen.« Alex schluckte. »War in Bennys Tasche.«
    Kalli schüttelte den Kopf. »Mädchen, das mit dem Bullen, der Benny umgebracht haben soll, ist das wirklich wahr?«
    »Ich hab’s doch selbst gesehen. Und ... er hat es mir erzählt, bevor er gestorben ist. Benny hat mir erzählt, dass der Mann so lang auf seinen Fingern rumgetrampelt ist, bis er sich nicht mehr halten konnte.«
    Kalli überlegte einen Augenblick. »Behalt das besser für dich. Solche Geschichten sollte man nicht rumerzählen, die Bullen verstehen da keinen Spaß.« Dann stand er auf, so unvermittelt, dass Alex zusammenzuckte. »Na, dann komm mit, Mädchen«, sagte er. »Ick will man nich so sein.«
    Sie folgte ihm zurück in den Laden. Kalli drückte einen Hebel irgendwo an der Registrierkasse, und die Geldschublade sprang auf mit einem lauten Pling . Er fummelte einen braunen Schein aus der Schublade und reichte ihn über den Tresen. »Hier«, sagte er, »weil du’s bist. Und wegen der Sache mit Benny.«
    Alex starrte den Geldschein an, und Werner von Siemens starrte zurück. »Ein Zwanni?«, sagte sie. »Das ist doch nicht dein Ernst! Sogar für den Plunder von Tietz hast du uns mehr gegeben!«
    »Ick tu dir’n Gefallen, Mädchen! Kein Mensch sonst wird dir das Zeug hier abnehmen. Nach alldem, was passiert ist! Weißt du, wie heiß das ist? Wahrscheinlich krieg ich noch richtig Probleme deswegen, aber weil du’s bist ...« Er wedelte mit dem Zwanziger. »Komm! Nimm das Geld, und gut is.«
    Alex zögerte. Zwanzig Mark, so viel würde Kalli wahrscheinlich für eine einzige Uhr kassieren, wenn er sie weiterverkaufte, und in der Tasche waren mindestens fünfzig. Eine einzige Frechheit, dieser Geldschein. Andererseits hatte er recht: Wenn er sie ihr nicht abnähme,

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