Goldstein
der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, oder worauf wollen Sie hinaus? Wer soll Ihnen denn das glauben.«
Lanke schielte zur Tür, als hoffe er, seine Kollegen mögen bald von der Beerdigung zurückkommen oder am besten gleich Onkel Werner, damit diese hochnotpeinliche Befragung hier endlich ein Ende nehme. Nahm sie aber nicht.
Rath hielt Lanke das Foto unter die Nase. »Nun antworten Sie schon«, zischte er, »damit ich nicht doch noch meine Kontakte zur Presse spielen lassen muss. Also: Warum haben Sie Marion Bosetzky ins Hotel Excelsior eingeschleust? Hatten Sie einkalkuliert, dass sie Goldstein zur Flucht verhilft? Oder war das eher ein Betriebsunfall?«
Der Kriminalsekretär schwitzte. Aus irgendeinem Grund schien es ihm ungeheuer schwerzufallen, mit der Wahrheit herauszurücken.
»Ein Betriebsunfall«, sagte er schließlich. »Wir wollten ein Auge auf Goldstein haben. Damit wir ...«
»Wer ist wir?«, hakte Rath nach.
Lanke verstummte abrupt.
»Ich und ein paar Kollegen«, sagte er schließlich. »Wir habenvon dem Ami erfahren – einer von uns kennt die Frau aus der Fernschreiberstube, die die Nachricht aus Übersee empfangen hat. Wir wollten ihn in flagranti bei irgendwas ertappen und dann die Lorbeeren ernten.« Er schaute Rath an wie ein waidwundes Reh. »Meinen Sie, es ist einfacher, befördert zu werden, wenn man der Neffe des Inspektionsleiters ist? Jedenfalls nicht bei diesem Polizeipräsidenten!«
»Hören Sie auf, sonst kommen mir gleich die Tränen! Und die Kollegen, mit denen Sie das eingefädelt haben, sind das ebensolche bedauernswerten Geschöpfe, die der Beförderungsstau in der Burg hart getroffen hat?«
»Machen Sie sich ruhig darüber lustig, aber so ist es.«
»Nennen Sie Namen.«
»Das kann ich nicht.«
Rath wedelte mit dem Foto.
Lanke schüttelte den Kopf. »Das kann ich wirklich nicht.« Er wirkte ernstlich verzweifelt. »Die Sache ist doch sowieso danebengegangen, was wollen Sie da noch die Namen der anderen wissen? Ich werde jedenfalls keinen Kollegen verpfeifen; ich nehme alles auf meine Kappe.«
Lanke brachte es tatsächlich fertig, das Gesicht eines Ehrenmannes aufzusetzen, oder wenigstens das, was er dafür hielt.
Rath ließ es gut sein. Fürs Erste. Der junge Lanke auf Abwegen. Ermittlungen auf eigene Faust, um die Karriereleiter ein paar Sprossen raufzufallen. Rath kam das alles bekannt und auch nachvollziehbar vor, allein hätte er dem eher phlegmatischen Lanke solch einen Ehrgeiz niemals zugetraut. Vielleicht war er ja auch von ehrgeizigeren Kumpels in die Sache hineingeschwatzt worden. Die hatten die Goldsteininformationen und brauchten seine Informantin und Gespielin, um den Ami einwickeln und im Auge halten zu können. Tja, war wohl schiefgegangen. Sollte jemals irgendwer für Goldsteins Verschwinden zur Rechenschaft gezogen werden müssen, schwor sich Rath, Lanke junior ans Messer zu liefern. Aber nichts überstürzen, erst einmal schauen, wie sich die Dinge entwickelten. Solange der Kriminalsekretär vor seiner Entlarvung zitterte, konnte er noch nützlich sein.
Und genau aus diesem Grund hinterließ Rath ihm zum Abschied noch eine kleine Drohung.
»Wenn ich herausbekommen sollte, dass Sie trotz allem wissen, wo sich Marion aufhält, und es mir nicht verraten«, sagte Rath, »dann verspreche ich Ihnen, werden Sie in der Hauptstadtpresse derart durch den Wolf gedreht, dass sich Ihr Onkel gleich mit zum Streifendienst zurückmelden kann.«
»Glauben Sie mir doch«, sagte Lanke. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Mit einem letzten finsteren Blick verließ Rath das Büro. Draußen auf dem Gang musste er ein Grinsen unterdrücken. Bester Laune verließ er die Sittenpolizei und betrat den Trakt der Inspektion A. Sein Gesichtsausdruck passte nicht gerade zu der Trauerkleidung, die er angelegt hatte, aber das machte nichts, die Beerdigung war vorüber.
Die Tür zur Mordbereitschaft öffnete sich, und Kriminalassistent Lange kam heraus. Rath grüßte freundlich, und der Mann aus Hannover grüßte zurück. Auch einer von denen, die Rath irgendwann gern einmal in seiner Ermittlungsgruppe hätte. Im Austausch gegen Czerwinski. Hinter Lange erschien ein anderes Gesicht in der Tür, und Raths Lächeln fror einen Moment ein, bevor er wieder sprechen konnte.
»Cha... Fräulein Ritter!« Er hüstelte. »Was machen Sie denn wieder bei uns. Nach so langer Zeit?«
Charly schaute noch überraschter als er, obwohl sie doch eher damit gerechnet haben musste, ihn hier zu
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