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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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treffen, immerhin war das sein Arbeitsplatz. Vielleicht lag es an der Trauerkleidung und dem ungewohnten Zylinder, dass sie so guckte.
    »Guten Tag, Herr Kommissar«, sagte sie und lächelte ihn an. »Schön, Sie mal wiederzusehen!«
    Sie hatte sich schnell wieder im Griff. Ihre Nervenstärke war wirklich bewundernswert. Rath spürte ein Prickeln, das dieser einfache Satz auslöste, vielleicht weil er sie am liebsten berührt hätte, es aber nicht durfte, hier in der Burg und dazu noch in Gegenwart eines Kollegen. Dann sah er ihr Gesicht und wusste, dass der Satz gar nicht so prickelnd erotisch gemeint gewesen war, wie er in seinen Ohren geklungen hatte. Wenn man genau hinschaute, sah Charly sogar ein wenig verstört aus, jetzt, wo das Lächeln wieder aus ihrem Gesicht verschwand. Irgendetwas musste passiert sein. Hoffentlich hatte sie keine schlechten Erfahrungen mit ihrer Alexgemacht! Geld weg, Schmuck weg, Alex weg. Oder so ähnlich. Gut, dass sie ihren Ring noch nicht hatte.
    Er merkte, dass Lange ihn erwartungsvoll anschaute und auch Charly irritiert guckte. Erst dann fiel ihm auf, dass er stehen geblieben war und die beiden wohl einfach darauf warteten, dass er etwas sagte. Rath deutete auf den Zylinder und seinen schwarzen Anzug. »Komme gerade von einer Beerdigung, hatte noch keine Zeit mich umzuziehen«, sagte er entschuldigend und ging weiter. Als er vor seiner Bürotür stand, drehte er sich noch einmal um. Charly verschwand mit Lange ganz hinten in einem der Vernehmungszimmer.
    Verdammt, was war da los?
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    D er Mann schaute genauso teilnahmslos unter seinem Tschako wie all die anderen, die sie sich zuvor schon angesehen hatte.
    »Nein, der ist es auch nicht.«
    Der Mann verschwand, ein anderer trat an seine Stelle.
    Charly schüttelte den Kopf.
    Lange blätterte geduldig weiter und legte ihr das Foto des nächsten Tschakoträgers vor. Wieder ein Unbekannter.
    »Wie viele Polizeileutnants gibt es in Berlin?«, fragte Charly, nachdem sie wieder den Kopf geschüttelt hatte. Zum wievielten Male jetzt?
    »Wir sind gleich durch.« Lange versuchte ein Lächeln. »Jedenfalls mit allen Revieren in Tiergarten und Moabit.«
    Charly seufzte. Eine geschlagene Stunde saß sie nun schon in diesem Vernehmungsraum und wälzte sich durch die Bilder. Nicht durch das Verbrecheralbum, das den Zeugen hier normalerweise vorgelegt wurde, sondern durch Personalakten der Schutzpolizei.
    »Sind Sie wirklich sicher«, fragte Lange, »dass Ihre Beobachtung richtig war?«
    »Ich habe mir den Schupo doch nicht eingebildet. Er war da.Und er kam aus der Straße, in der Kuschke ermordet wurde. Er muss etwas gesehen haben. Wenn nicht den Mord, dann den Mörder.«
    »Sie haben es doch auch nicht sofort gesehen. Dass Kuschke ein Messer im Bauch hatte, meine ich. Weder hat er geschrien, noch sich sonst in irgendeiner Weise auffällig verhalten. Warum soll es dem Kollegen nicht genauso gegangen sein wie Ihnen?«
    »Ich habe Kuschke nur von hinten gesehen. Außerdem war ich so damit beschäftigt, nicht entdeckt zu werden, dass ich alles andere viel zu spät bemerkt habe.«
    »Aber dem Kollegen unterstellen Sie, dass er all das bemerkt haben muss, was Ihnen entgangen ist ...«
    »Ich weiß auch nicht«, sagte Charly und ließ ihre Schultern hängen. »Es ist nur ... manchmal denke ich eben, Sie glauben mir nicht, und das kann ich nicht ertragen. Im Augenblick wenigstens.«
    »Im Augenblick werden Sie das aber wohl ertragen müssen«, sagte Lange, und seine Stimme wirkte mit einem Mal merkwürdig kalt. »Im Moment weiß ich nämlich wirklich nicht, ob ich Ihnen glauben kann.«
    »Wie?«
    Lange stand von seinem Stuhl auf und stützte sich mit beiden Armen auf dem Schreibtisch auf. »Gibt es diesen Polizisten überhaupt? Oder haben Sie ihn nur erfunden, um von Ihrem Schützling abzulenken und mich eine Weile zu beschäftigen?«
    Charly schoss das Blut heiß und kalt durch die Adern. Von einem Augenblick auf den anderen hatte der so lieb und harmlos wirkende Andreas Lange seiner Stimme eine ungewohnte Schärfe verliehen. Sie bedauerte die armen Sünder, die der Kriminalassistent im Verhör in die Mangel nahm. Dummerweise war jetzt sie diese arme Sünderin.
    »Ich habe gar nichts erfunden«, sagte sie. »Ich dachte, wir arbeiten zusammen.«
    »Das dachte ich auch. Und warum erzählen Sie mir dann nichts von den Ereignissen im Schlachthof?«
    »Ich dachte, das ist nicht relevant für unseren Fall.«
    »Ein Mensch ist schwer verletzt worden,

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