Goldstein
zwischen die Häuserfassaden gebaut war, wie so viele Kirchen in Berlin, hatte er ihn eingeholt. Er hielt gerade nach einem Parkplatz Ausschau, um unaufällig rechts ranfahren zu können, da geschah etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte.
Joseph Flegenheimer, ganz in die schwarze Tracht seiner frommen Vorväter gekleidet und ein gläubiger Jude durch und durch, soweit Rath das beurteilen konnte, öffnete eine der Kirchentüren und verschwand darin.
Rath fuhr rechts ran, schaute auf die Kirchenfassade und dachte nach. Was hatte das zu bedeuten? Er wollte ihm nicht ins Gebäude folgen, Flegenheimer hätte Verdacht geschöpft, aber er hätte einiges gegeben, wenn jemand ihm verraten hätte, was ein gläubiger Jude in einer Kirche zu tun hatte, in einer katholischen noch dazu.
Eigentlich hatte Rath gehofft, Flegenheimer würde ihn zu der Absteige führen, in der Abraham Goldstein sich jetzt versteckte, aber so einfach war das wohl nicht. Dennoch war er sicher, dass Joseph Flegenheimer derjenige war, der die Sachen seines Cousins aus dem Hotel in der Tieckstraße geholt und die Rechnung beglichen hatte.
Rath blieb noch eine Weile im Auto sitzen, rauchte eine Overstolz, doch Flegenheimer kam nicht zurück. Schließlich schnippte er die Zigarette aus dem Fenster und ließ den Motor wieder an. Es war schon spät. Er musste weiter, wollte er seine Verabredung mit Marlow nicht verpassen. Den Namen der Kirche aber hatte er aufgeschrieben. Sankt Norbert.
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D er muffige Geruch rührte wohl daher, dass der Raum keine Fenster besaß und nie richtig durchgelüftet wurde. Ein uniformierter Beamter führte sie an langen Regalreihen vorüber. Es sah aus wie im Lager eines Waffenhändlers, der nebenbei auch noch Plunder aller Art verkaufte. Pistolen und Gewehre jeder Bauart, Messer, Säbel, Schlagringe, Teppiche, Kerzenständer, Ölbilder, Plattenspieler und sogar ein aufgeschweißter Tresor.
Charly hielt sich die Hand vor die Nase und schaute Lange dabei zu, wie er einen hellgrauen Anzug durchsuchte, der voller geronnener Blutflecken war. Entgegen ihrer ursprünglichen Pläne war sienun doch mit ihm zurück ins Präsidium gefahren. Aus reiner Neugier. Lange hatte das Holzkästchen tatsächlich nicht aufgebrochen, auch nicht im Auto. Er hatte nicht nur die Zimmerwirtin ärgern wollen, er war wirklich so preußisch korrekt. Vielleicht hatte ihr Vater ja doch recht, der immer behauptet hatte, die Hannoveraner seien preußischer als die Preußen.
Sie hatten nicht viel geredet auf der Rückfahrt, aber beiden war klar, dass Alex Reinhold nun nicht mehr ihre Hauptverdächtige war, und Lange schien darüber genauso erleichtert zu sein wie Charly. Was den Fall jedoch nicht leichter machte. Der Schupo in Kuschkes Wohnung musste derselbe gewesen sein, den Charly im Hansaviertel gesehen hatte. Und er musste etwas mit dem Mord zu tun haben. Was für ein Albtraum: ein mordender Polizist, der von einem Polizisten getötet wird. Bislang war der Tote im Hansaviertel den Hauptstadtblättern nur eine kurze Meldung wert gewesen. In der Burg hatten sie die Sache ganz bewusst nicht an die große Glocke gehängt, vor allem nicht verraten, dass es ein Polizist war, den man in der Händelstraße erstochen hatte. Häppchenweise die Informationen herausgeben, darauf hatten sie sich geeinigt. Und am besten im Zusammenhang mit Ermittlungsfortschritten.
Das Dumme war nur, dass ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse die Sache in einem immer schlimmeren Licht erscheinen ließen.
Nachdem Charly ihr Glück mit einer aufgebogenen Büroklammer versucht hatte, das kleine Schloss damit aber nicht hatte knacken können, waren sie schließlich in die Asservatenkammer gegangen. Lange fischte einen kleinen Schlüssel aus Kuschkes Brieftasche und hielt ihn triumphierend in die Höhe.
Charly reichte ihm das Kästchen. Der Schlüssel passte.
Sie konnte mit dem Papier zunächst nichts anfangen, das der Kriminalassistent aus der Kassette nahm und auseinanderfaltete. Sie erkannte ein Passfoto, das Jochen Kuschke in Uniform zeigte, allerdings nicht in der Uniform eines Hauptwachtmeisters, sondern in einer für Polizisten strengstens verbotenen. Und noch bevor sie die Buchstaben las, die neben dem Foto aufs Papier gedruckt waren, und das Symbol auf dem Stempel erkannte, wusste sie, dass das nichts war, was man der Presse gerne zutragen würde.
Lange pfiff durch die Zähne.
Es war ein Mitgliedsausweis, ein Ausweis, der besagte, dassJochen Kuschke mit dem Dienstgrad eines
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