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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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auch mal ein bisschen mit seinen Verbindungen spielen zu können, um die er Marlow so beneidete. Er hoffte, die Zwistigkeiten mit den Nordpiraten elegant beizulegen, indem er sie mithilfe der Polizei aufs Kreuz legte.« Rath zog an seiner Zigarette. »Und Sie haben diese Hoffnungen geschürt. Vielleicht haben Sie ihn sogar erst auf die Idee gebracht, ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen.«
    Diese Antwort bestätigte Rath endgültig, dass er auf der richtigen Fährte war. Christine Möller hatte sämtliche Verführungsversuche eingestellt; sie kreuzte die Arme vor ihrer Brust, um den Morgenmantel hochgeschlossen zu halten. Nicht einmal ihr Hals war jetzt noch zu sehen.
    »Sie wissen ziemlich genau, wovon ich spreche. Herr Marlow weiß allerdings noch nichts davon, und ich denke, das ist durchaus zuträglich für Ihre Gesundheit.« Rath machte eine Pause, um die Worte wirken zu lassen, nahm einen letzten Zug und drückte die Zigarette aus. »Es liegt ganz an Ihnen, ob es dabei bleibt oder nicht. Erzählen Sie mir die Details, bleibt das Ganze unter uns, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Sollten Sie sich aber stur stellen oder sollte ich herausfinden, dass Sie mir Blödsinn erzählt haben, dann werde ich es Marlow überlassen, sich die Details von Ihnen erzählen zu lassen.«
    »Sie sind ein mieses Schwein.«
    »Es bleibt Ihre Entscheidung: Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen. Hier und jetzt. Oder erzählen Sie es Marlow. In irgendeinem verschimmelten Keller an einen Stuhl gefesselt.«
    Rath musste nicht deutlicher werden. Christine Möller hatte verstanden.
    »Ich wusste doch nicht, dass sie ihn umbringen würden«, begann sie. »Ich dachte, sie wollten ihn nur festnehmen.«
    Und dann erzählte sie ihm alles.
    97
    D er Mann wirkte nervös. In natura sah er dem amerikanischen Filmschauspieler noch ähnlicher als auf der Zeichnung. Er hieß allerdings nicht Harold Lloyd, sondern Gerald Thiemann.
    »Schön, Herr Thiemann, dass Sie sich gemeldet haben«, sagte Gennat.
    Thiemann nickte. »Ein Freund hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass mein Bild in der Zeitung ist.«
    Sie saßen in der grüngepolsterten Sitzgruppe in Gennats Büro. Der Buddha war bemüht, dem wichtigen Zeugen eine angenehme Atmosphäre zu bieten. Deswegen kam Trudchen Steiner jetzt auch herein mit frisch aufgebrühtem Kaffee. Eine Kuchenauswahl der nahen Konditorei in der Königstraße stand schon auf dem Tisch. Gennat teilte persönlich aus, nachdem die Sekretärin jeden mit Kaffee versorgt hatte. Zuerst wurde der Zeuge bedient. Gerald Thiemann hatte sich ein kleines Stück Nusskuchen ausgesucht, offensichtlich beeindruckt von den Kuchenmassen auf dem Tablett. Charly verzichtete, was Gennat mit einem verständnislosen bis mitleidigen Blick quittierte, und Lange bekam ein riesiges Stück Herrentorte auf den Teller, das er ehrfurchtsvoll anstarrte. Sich selbst gönnte der Buddha ein Stück Stachelbeerkuchen. Das Tablett war noch nicht einmal zur Hälfte geleert.
    Böhm saß nicht mit am Tisch, den hatte der Kriminalrat noch einmal zum Hansaviertel geschickt, wo die beiden Kriminalassistenten in den Häusern der Händelstraße nach möglichen Zeugen des Kuschke-Mordes suchten. Charly wusste, dass es besser war, den bärbeißigen Böhm bei solch diffizilen Vernehmungen nicht mit am Tisch sitzen zu haben. Er neigte dazu, Zeugen einzuschüchtern, selbst dann, wenn er das gar nicht wollte. Und das hier war keine Vernehmung, bei der man den Zeugen einschüchtern wollte. Deswegen saßen sie auch nicht in einem Vernehmungsraum, sondern bei Kaffee und Kuchen in Gennats Wohnzimmerbüro. Sah man davon ab, dass die Polstermöbel schon reichlich durchgesessen waren und geschmacklich eher Kaiser Wilhelm als der Republik zuzuordnen waren, hatte Gennat wahrscheinlich das wohnlichste Büro im ganzen Präsidium. Böse Zungen behaupteten, dass nichteinmal die Dienstwohnung des Polizeipräsidenten im ersten Stockwerk – mit Panoramablick auf den Alex – wohnlicher eingerichtet sei.
    Für einen Moment klapperten nur Kuchengabeln und Kaffeetassen, dann stellte Gennat die erste Frage.
    »Was haben Sie denn gesehen in jener Nacht am KaDeWe?«
    Thiemann stellte seine Kaffeetasse zurück auf die Untertasse. »Da war dieser Junge«, sagte er. »Und dieses Mädchen. Zuerst hab ich die auch für einen Jungen gehalten. Bis ich ihre Stimme gehört habe.«
    »Erzählen Sie mal schön der Reihe nach. Sie kamen über die Passauer

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