Goldstein
herumschnüffeln.« Er lachte. »Und außerdem halte ich es für angebracht, dass wir uns einmal in Ruhe unterhalten, ohne Ihre Kollegen und unter vier Augen.«
Pfarrer Warszawski verstand. Er erhob sich und brachte das ramponierte Weihrauchgefäß nach hinten in die Sakristei.
Rath setzte sich neben Goldstein auf die Kirchenbank. Er konnte sich nicht helfen, irgendwie war ihm der Mann, trotz allem, was er getan hatte und getan haben sollte, sympathisch.
»Was wollen Sie mir denn erzählen unter vier Augen, was Sie nicht auch in einem Verhörraum des Polizeipräsidiums Berlin erzählen könnten?«
»Eine ganze Menge. Ich hoffe, Sie haben ein bisschen Zeit.«
Rath schaute auf die Uhr. »Eigentlich nicht. Ich bin verabredet. Bin eh schon zu spät dran.«
»Dann mach ich’s eben kurz«, sagte Goldstein. »Erstens: Ich habe diese Scheißkerle da oben in diesem Park zusammengeschlagen, ja. Weil sie einen alten Mann verprügeln wollten. Und einem habe ich sogar in den Fuß geschossen, ja, auch das stimmt. Eine blöde Sache; der Schuss hat sich unabsichtlich gelöst.« Goldstein schaute ihn an, als wolle er eruieren, inwieweit Rath ihm Glauben schenkte. »Zweitens«, fuhr er fort: »Ich habe niemanden umgebracht. So einfach ist das.«
»Das war also die Kurzform?«
»Ja.«
»Haben Sie deswegen unterschlagen, was Sie in New York gemacht haben?«
»Was ich in den Staaten gemacht habe, das geht Sie rein gar nichts an.« Goldstein guckte böse. »Das Einzige, was Sie mir in Ihrem Land vorwerfen könnten, ist illegaler Waffenbesitz. Aber den können Sie mir jetzt auch schon nicht mehr nachweisen.« Der Gangster lachte. »Die Waffe hat Pastor Warszawski eingesackt. Das war seine Bedingung, bevor er ein Feldbett für mich auseinandergeklappt hat.«
Rath schaute auf die Uhr. Eigentlich müsste er längst bei Charly auf der Matte stehen. Er wusste, wie sehr sie Unpünktlichkeit hasste. Und würde ihr kaum erklären können, dass er sich mit Abraham Goldstein in einer Kirche geprügelt hatte und sie hernach noch ein kleines Schwätzchen miteinander gehalten hatten.
»Wissen Sie, dass der alte Jude, dem Sie geholfen haben, Ihr einziger Entlastungszeuge ist?«
Goldstein zuckte die Achseln.
»Führen Sie mich zu ihm«, sagte Rath, »dann kann ich Ihnen vielleicht helfen. Wissen Sie, wo der Mann wohnt?«
»Natürlich. Ich habe ihn doch nach Hause gebracht. Er heißt Teitelbaum, Simon Teitelbaum. Ist wohl noch nicht so lang hier im Land. So benimmt er sich jedenfalls.«
»Aus irgendeinem Grund wollte der Mann mir nicht sagen, wer er ist«, sagte Rath. Dann schaute er nochmals auf die Uhr und stand auf. »Ich muss jetzt wirklich los.«
»Und warum sollte ich Ihnen vertrauen, dass Sie Pastor Warszawski nicht in Schwierigkeiten bringen und die Kirche hier von Ihren Fahndern belagern lassen?«
Rath zuckte die Achseln. »Ich bin katholisch.«
»Das sind die Iren in Brooklyn auch. Aber denen traue ich nicht für fünf Pfennig über den Weg. Und das zu Recht.«
»Aber den Italienern trauen Sie, wenn ich das in Ihrer Akte richtig gelesen habe. Die sind auch katholisch.«
»Vertrauen ist nun einmal keine Frage der Religionszugehörigkeit.«
»Wir machen einen Deal«, schlug Rath vor, »so nennen Sie das doch in den Staaten.«
Goldstein schaute überrascht.
»Ich verspreche Ihnen, Sie unbehelligt zu lassen, bis Sie mich zu diesem Zeugen geführt haben«, fuhr Rath fort. »Wenn Sie mir auch etwas versprechen.«
»Was denn?«
»Ganz einfach: dass Sie sich nicht mit dem nächsten Schiff in die Staaten absetzen.«
»Wenn das so einfach wäre!«, meinte Goldstein und lachte. »Sehen Sie«, sagte er, »das ist eines der komplizierteren Dinge, über die ich mit Ihnen sprechen wollte. Aber dafür haben Sie jetzt ja leider keine Zeit.«
107
W as für ein schöner Sonntag! Alex fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr, als sie die Fußgängerbrücke betrat, die über die Spree führte. Der erste erträgliche Tag seit Bennys Tod überhaupt, wenn sie es genau bedachte. Nicht nur weil letzte Nacht alles ohne jeden Zwischenfall gelaufen war – bis auf die verdammten Taschen, die – gefüllt mit all den Münzen – so schwer waren, dass sie und Vicky sie beinah nicht durchs Fenster bekommen hätten. Nein, Alex fühlte sich gut, weil sie dabei war, alles zu regeln, was geregelt werden musste, so lange schon. Alle Dinge würden wieder ins Lot kommen, vor allem aber ihr Leben. Und Vickys Leben.
Sie hatte sogar eine Fahrkarte
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