Goldstein
den Steinboden knallten. Rath weicher als der Gangster, er lag oben. Goldstein war tatsächlich etwas benommen von dem Sturz, und Rath verpasste ihm einen Haken, als er sich wieder aufrichten wollte. Goldstein stürzte nach hinten ins Kirchenschiff, seine Hände versuchten Halt zu finden, rissen aber nur einige Gebetbücher aus einem Regal. Rath folgte ihm, wollte dem Kerl den Rest geben, ihm blieb nichts anderes übrig, denn die Handschellen hatte er dummerweise im Auto gelassen. Doch als er dem zurücktaumelnden Gangster einen zweiten Schlag verpassen wollte, wich der aus, ließ sich zurückfallen, packte dabei noch Raths Arm und rollte nach hinten ab. Rath wusste nicht, wie ihm geschah; Goldstein hatte seinen Arm im festen Griff und zog ihn mit seinem ganzen Körpergewicht nach unten, gleichzeitig spürte er die Stiefel des Amis im Unterleib und knallte unsanft gegen die Kirchenbänke, als Goldstein seinen Arm noch während des Abrollens wieder losließ. Es polterte laut, als das harte Holz Raths Stirn traf, für einen kurzen Moment sah er Sterne, fühlte sich so wacklig wie auf einem Schiff bei schwerer See.
Und dann war Goldstein auch schon über ihm und packte ihn am Kragen, zog ihn hoch, doch Rath konnte seinem Schlag ausweichen, landete im Gegenzug einen Tritt in den Unterleib, der Goldstein einen Moment beschäftigte. Er sah seine Chance gekommen, den finalen Treffer zu landen und den Ami endgültig ins Reich der Träume zu schicken, da spürte er einen harten Schlag gegen die rechte Seite seines Kopfes und hörte ein lautes, gongartiges Scheppern, bevor ihm nach einem kurzen hellen Blitz, der die ganze Welt zu erleuchten schien, schwarz vor Augen wurde.
105
S ie tigerte noch nervöser in ihrer Wohnung umher als vor seinem Anruf. Mindestens sieben Zigaretten hatte sie schon geraucht, eine nach der anderen. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen sollte oder noch mehr ärgern über den Scheißkerl. Hatte sie kaum zu Wort kommen lassen. » Ich bin ein wenig in Eile «, äffte sie ihn nach, aber das half auch nicht gegen ihre Wut und ihre Unruhe. Was bildete er sich eigentlich ein? Sie so abzufertigen! Immerhin hatte er eingelenkt. Aber was hatte er da erzählt von diesen Gangstern? Deren Tod sollte etwas mit dem Tod von Hauptwachtmeister Kuschke zu tun haben? Den roten Hugo hatte man doch tot in der Mühlendammschleuse gefunden. Und Gereons Fall war das ihres Wissens auch nicht.
Sie wusste nicht warum, aber irgendwie hatte sie sein Anruf noch nervöser gemacht, als sie ohnehin schon war. Unruhig ging sie in der Wohnung auf und ab. Sie hatte das drängende Gefühl, etwas tun zu müssen, aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung was. Und er hatte sie zum Warten verdammt. Ihre Neugier war, so sehr sie es bedauerte, noch größer als ihre Wut. Die Stunde war jetzt so gut wie rum, wo blieb er? Und wer mochte da vorhin für Gereon angerufen haben? Hing das mit seinen neuen Erkenntnissen zusammen?
Da, die Türklingel!
Charly schaute auf die Uhr. Vor siebenundvierzig Minuten hatte Gereon sie angerufen. Sollte er sich tatsächlich beeilt haben? Sah ihm gar nicht ähnlich.
Sie spürte, wie ihre Wut verrauchte und sich ihre Anspannung löste. Eigentlich hätte sie ihm noch ein bisschen von ihrer Wut gegönnt, aber so war es oft: Wenn er dann endlich auftauchte, löste sie sich plötzlich in Nichts auf. Wenigstens schaffte sie es, ihr seliges Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, als sie zur Tür ging, so viel Selbstdisziplin immerhin besaß sie noch.
Charly öffnete und erstarrte.
Das war nicht Gereon.
Da draußen stand Sebastian Tornow und lächelte sein Lächeln. Neben ihm stand ein älterer Mann, der Charly irgendwie bekannt vorkam, auch wenn sie sich nicht erinnerte, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Aber er war es, der die Pistole auf sie gerichtet hielt.
106
S ein Kopf schmerzte, eigentlich schmerzte sein ganzer Körper. Das Erwachen war kein angenehmes, am liebsten wäre er wieder in der Bewusstlosigkeit versunken. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er sich befand, er sah Engel und Heilige in wallenden Gewändern. Dann fiel es ihm wieder ein: Sankt Norbert! Goldstein!
Vorsichtig drehte er den Kopf. Er lag immer noch im Kirchengang, und in einer der Bänke saß ein ansatzweise übergewichtiger Priester. In der rechten Hand hielt der Mann einen Weihrauchschwenker, der einen leicht verbeulten Eindruck machte. Solche Blechbüchsen hatte Rath als Zehnjähriger selber geschwenkt. Allerdings nicht, um
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