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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Gennat und Oberkommissar Böhm auf ihn warteten. In Gegenwart des Buddha hatte Lanke, nachdem er sich vom ersten Schrecken erholt hatte, richtiggehend erleichtert gewirkt und sich ohne Zögern allen Ballast von der Seele geredet.
    Und Grabowski war Böhms Mitarbeiter, den hatte der Oberkommissar einfach herzitieren können, ohne dass der Mann Verdacht geschöpft hatte. Der Kriminalassistent aus der Mordinspektion war eindeutig die härtere Nuss, doch Gennats Beharrlichkeit und die Konfrontation mit Lankes Aussagen und den Namen, die Charly hatte identifizieren können, hatten schließlich auch ihn geknackt.
    Rudi Scheer schien eine Art Geldgeber zu sein und die nötigen Mittel für bestimmte Operationen zur Verfügung zu stellen. Angeblich, so wenigstens hatte Grabowski gemutmaßt, war Scheer immer noch in Waffenschmuggel verstrickt, aber das dürfte ihm schwer nachzuweisen sein. Einen einzigen illegalen Waffenhändler in der Grenadierstraße hatten sie als Anhaltspunkt. Goldstein hatte bestätigt, dort seine Remington gekauft zu haben. Und die Adresse hatte ihm die Weiße Hand über Marion zukommen lassen, die damals noch nach Lankes Anweisungen handelte. Goldstein schien in diesem Gestrüpp noch zu einem wichtigen Zeugen zu werden.
    Nun gut, das war eine andere Baustelle.
    Mochte Scheer auch das Geld bringen, der Initiator der ganzen Truppe war dennoch Sebastian Tornow, so jung er auch sein mochte. Die beiden Ganoven, von denen er Rath erzählt hatte,die ihr Leben angeblich in einem Bandenkrieg verloren hatten, die beiden, die das Leben seiner Schwester ruiniert hatten, die waren seine ersten Opfer gewesen. Und in Rudi Scheer, den er wohl schon während seiner Ausbildung kennengelernt hatte, musste Sebastian Tornow einen Gleichgesinnten erkannt haben. Von da an hatten sie begonnen, weitere Männer, die ähnlich dachten, um sich zu scharen. Auch bei Gräf hatte Tornow wohl vorfühlen wollen mit seiner Frage, ob ein guter Polizist denn auch töten dürfe.
    Nach Tornows Ansicht musste ein guter Polizist töten. Jochen Kuschke allerdings, der sich diesen Grundsatz zu sehr zu Herzen genommen hatte, hatte sterben müssen, weil er zu unüberlegt vorgegangen war und mehr und mehr zu einer Gefahr für die Organisation geworden war. Seinen Tod, so jedenfalls hatte Grabowski es erzählt, hatten sie bei einem nächtlichen geheimen Treffen gemeinsam beschlossen. Dass Tornow die Aufgabe schließlich übernahm, lag daran, dass Kuschke ihm, seinem Mentor und ehemaligen Vorgesetzten, am meisten vertraute.
    Und jetzt würde Rath seinen ehemaligen Untergebenen zur Strecke bringen.
    Sie gelangten ohne Probleme auf das Gelände der Gasanstalt. Es war genauso, wie Tornow erzählt hatte: Allein Verbotsschilder warnten davor, den Gasometer zu besteigen. Genauer: Sie bezeichneten dieses Vorhaben als strengstens verboten , ein Ausdruck, den wahrscheinlich nur die deutsche Sprache derart passend hervorbringen konnte, dass einen schon der Klang dieser beiden Wörter zurückzucken ließ.
    Rath war daran gewöhnt, Verbotenes zu tun.
    »Warten Sie hier unten mit Ihren Leuten«, sagte er zu Gennat. »Ich schaue nach, ob er da oben irgendwo ist.«
    Und bevor Gennat etwas sagen konnte, war er schon unterwegs.
    In schwindelerregende Höhen zu steigen, das war nicht gerade das, wonach Rath sich in seinen geheimsten Träumen sehnte, aber das hier war eine persönliche Sache. Tornow hatte ihm Charly gestohlen und sie zwei Tage lang leiden lassen. Wenn er da oben irgendwo hockte und sich den Berliner Nachthimmel anschaute, dann wollte er, Gereon Rath, ihm persönlich mitteilen, dass er verhaftet war.
    Der Gasometer, das war im Grunde nur ein riesiges, tonnenförmiges Führungsgerüst, eine stählerne Fachwerkkonstruktion, rund achtzig Meter hoch, in der die Gasglocke geduldig ihre Arbeit verrichtete. Eine Art Feuerleiter führte hinauf, ein stählerner Treppenaufgang, wie er an manchen Mietshäusern zu finden war. Nach vier Treppen hatte Rath den ersten umlaufenden Wartungsgang erreicht, alle zehn Meter ungefähr war einer angebracht, je ein stählerner Laufgitterring, auf dem man den gesamten Gasometer umrunden konnte. Was Rath geflissentlich unterließ. Tornows Platz war oben auf dem Gasbehälter, nicht auf einem der Wartungsgänge, das hatte er ihm selbst erzählt.
    Auf den ersten Treppenabsätzen hielt Rath sich noch an seinen Vorsatz, nicht nach unten zu schauen, irgendwann aber wagte er doch einen Blick, mehr aus Versehen, und bereute es gleich.

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