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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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nicht gerechnet hatte. Der Bulle, direkt vor dem Tresen stehend, ein undefinierbares Grinsen auf dem Gesicht, hatte zugeschlagen, ohne Vorwarnung, mit der Rechten, mit der Uhr, die er nun wie einen Schlagring auf den Knöcheln sitzen hatte. Den ersten Schlag hatte er mitten im Gesicht gelandet, und Kalli hatte gehört, wie die Nase brach, hatte das Blut gespürt, das plötzlich aus ihm herausschoss. Er war nach hinten getaumelt gegen die Regale und hatte noch immer nicht ganz verstanden, was da passierte, da hatte der Bulle schon wieder vor ihm gestanden, ihn an seinem grauen Kittel derart brutal nach oben gezerrt, dass gleich mehrere Knöpfe abgerissen waren, und den nächsten Schlag gesetzt, so genau auf die Kinnspitze, dass es Kalli nach einem kurzen Aufblitzen des Schmerzes schwarz vor Augen wurde.
    Wie lange er ohne Bewusstsein gewesen sein mochte, konnte er nicht sagen, draußen schien es jedenfalls noch hell zu sein, aus dem Laden drang Licht durch die Türritze. Vorsichtig hob er den Kopf, langsam, um den Schmerz nicht herauszufordern. Der Schupo hatte es sich bequem gemacht, den Tschako vom Kopf genommen und neben sich aufs Sofa gelegt. Da saß dieser Mann in seinem Hinterzimmer, auf seinem Sofa und hörte seine Musik. Hatte der überhaupt eine Ahnung, wie die Berolina ihn fertigmachen würde, wenn sie von dieser Sache erfuhr?
    Kalli konnte es immer noch nicht fassen, dass er sich so hatte überrumpeln lassen. Er hatte geglaubt, mit allen Wassern gewaschen, jedem einzelnen Tagedieb hier im Samariterviertel überlegen zu sein. Keiner, der es wagen würde, den kleinen Laden auszurauben, wo doch alle Welt wusste, dass eine geladene Weltkriegspistole griffbereit unter dem Ladentisch lag. Dieser Schupo schien von der Pistole nichts gewusst zu haben. Oder sie schien ihm schnuppe zu sein.
    Kalli wollte sprechen, um dem Kerl seine Situation zu erklären, aber seine Zunge klebte am Gaumen fest, er brachte nur ein schmatzendes Stöhnen heraus.
    »Na, du schwule Judensau«, sagte der Schupo, »endlich aufgewacht?«
    Kalli musste erst mal Speichel sammeln, um seine Zunge wieder in Bewegung zu bringen. »Ich bin doch kein Jude«, protestierteer, als sei dies die wichtigste Tatsache, die er hier und jetzt klarzustellen hätte. Er dachte noch über die Dämlichkeit seiner Antwort nach, da bemerkte er, dass der Schupo sich direkt vor ihm aufgebaut hatte.
    »Und warum«, sagte der Schupo, »stehst du dann in so einem gottverdammten Judenladen?«
    Der Bulle stand so nah, dass Kalli den Schweiß im Gewebe der blauen Uniform riechen konnte. Und wieder kam der Schlag ohne Vorwarnung. Diesmal in die Magengrube. Kalli hatte das Gefühl, ersticken zu müssen, instinktiv wollten seine Hände den Bauch schützen, doch er konnte sich nicht regen. Erst jetzt merkte er, dass der Kerl ihn gefesselt haben musste.
    »Was soll das?«, japste er, als er endlich wieder Luft bekam, »was zum Teufel soll das?«
    Der nächste Schlag traf genau dieselbe Stelle. Der Würgereflex stülpte Kallis Magen um, ein Teil seines Mageninhalts landete im Mund, er schluckte den säuerlich schmeckenden Brei wieder runter und unterdrückte den erneut einsetzenden Würgereiz. Was, zum Teufel, war das für ein Arschloch?
    »Erstes Gebot: Du sollst nur reden, wenn du gefragt wirst«, sagte der Schupo.
    Kalli wartete darauf, gefragt zu werden, doch der Mann ging schweigend zum Plattenspieler und nahm die Nadel von der Platte, dass es brutal durch den Lautsprecher kratzte.
    Dann wurde eine Frage gestellt, aber nicht von dem Schupo, der sich jetzt wieder auf das Sofa neben seinen Tschako gesetzt hatte, sondern von einem Mann, der an der Tür stehen musste, die weiter nach hinten führte.
    »Was meinst du, Kalli, warum wir hier sind?«
    Kalli drehte den Kopf so weit es ging, doch es reichte nicht, um den Fragesteller zu sehen. Am meisten erschrak er darüber, dass sie seinen Namen kannten, sogar seinen Spitznamen. Und mit einem Mal wusste Eberhard Kallweit, dass er wirklich ernsthaft in der Klemme steckte. Die Berolina konnte ihm in dieser Sache nicht helfen. Er hatte die Situation vollkommen falsch eingeschätzt; der Blaue war hier nur der Mann mit den Muskeln, Kallis eigentliches Problem war der andere, der Mann, dem diese Stimme gehörte. Der namenlose Mann, den Kalli für sich immer Stephan genannt hatte,nach dem Amt der Telefonnummer, unter der er ihn angerufen hatte. Wie zum Teufel hatte der seinen Laden gefunden?
    Lenz oder die Berolina mussten ein falsches

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