Goldstein
Spiel getrieben haben, sonst hätte er diese Stimme hier in seinen eigenen vier Wänden niemals hören dürfen, jedenfalls nicht ohne die schützende Distanz eines Telefonkabels. Er wusste nichts von Stephan , nicht wie er aussah, nicht wie er hieß, aber es musste ein Bulle sein, ein Bulle, dem die Berolina vertraute, den sie wahrscheinlich sogar bezahlte, jedenfalls hatte Lenz ihm diese Telefonnummer gegeben, um die Rotzlöffel loszuwerden, und Kalli hatte angerufen. Stephan hatte sich nicht mit Namen gemeldet, und auch Kalli hatte nie etwas von sich preisgegeben, auch vorhin nicht, als er gleich nach Alex’ überraschendem Besuch hinüber zum S-Bahnhof gegangen war und den Anschluss noch einmal verlangt hatte, weil es die einzige Verbindung zu Stephan war, die er kannte. STEPHAN 1701. Er hatte sich beinah erschrocken, als der Mann schon beim ersten Anruf an den Apparat gegangen war. Doch dann hatte Kalli mit dem ganzen Mut des Unsichtbaren ein bisschen auf den Putz gehauen. Die Nachricht von Bennys Tod hatte ihn schon heute Morgen schockiert, als er davon in der Zeitung gelesen und eins und eins zusammengezählt hatte. Und dann hatte Alex ihn mit ihrer Version der Geschichte in seinem Verdacht nur bestätigt. Den Tod des Jungen hatte er nicht gewollt, den konnte auch die Berolina nicht gewollt haben; nein, es war ganz allein die Schuld der Bullen! Und die sollten für ihre Schuld bezahlen!
Die Stimme hatte böse geklungen, von Anfang an, aber das konnte Kalli nicht jucken, er war ja unsichtbar. »Warum zum Teufel rufst du mich an«, hatte die Stimme geschimpft. »Die Sache ist durch. Du kennst diese Rufnummer nicht mehr.«
»So war das aber nicht abgemacht! Die Rotzlöffel sollten hinter Gitter, so sollte das laufen. Von Toten war keine Rede.«
»Wie das Ganze laufen sollte und wie es gelaufen ist, das hat dich überhaupt nicht zu interessieren. Das mit dem Toten ist eben passiert. Ein Unfall.«
»Das war kein Unfall. Das war Mord. Ich habe Zeugen. Ich kenne Reporter, die würden für so eine Geschichte eine Menge Geld bezahlen: Polizist mordet Minderjährigen! «
Das kurze Schweigen am anderen Ende der Leitung hatte Kalli nur bestärkt. Alex musste die Wahrheit erzählt haben.
»Worauf willst du hinaus? Du hast dein Geld bekommen, jetzt bist du aus der Sache raus.«
»Vielleicht war es nicht genügend Geld.«
Die Stimme schwieg einen Augenblick. »Wir sollten darüber reden«, meinte sie dann. Sie klang überhaupt nicht mehr sauer, das schlechte Gewissen schien sie kleinlaut gemacht zu haben. »Sollen wir uns irgendwo treffen?«
»Von wegen treffen. Ich rufe Sie wieder an!«
Damit hatte Kalli eingehängt. Und gedacht, dass noch genügend Zeit sei, genauere Pläne zu schmieden, wie viel er überhaupt verlangen und wie das Geld übergeben werden sollte.
So hatte er gedacht. Hätte er gewusst, welche Folgen dieses kurze Telefonat haben sollte, er hätte das Geschäft für ein paar Wochen dichtgemacht und wäre zu seinem Bruder aufs Land gefahren. Nun aber saß er hier, fest verschnürt im Hinterzimmer seines eigenen Ladens, und verfluchte den Tag, an dem er sich darauf eingelassen hatte, Alex und Benny für ein paar lausige Kröten zu verpfeifen, nur weil sie der Berolinalästig geworden waren: zwei Straßengören, die größenwahnsinnig werden, sämtliche Kaufhäuser ausräumen, die Polente aufschrecken und die Preise verderben. Und die Berolina war nun einmal ein wichtigerer Geschäftspartner als Alex und Benny. Ein paar Jahre Knast, so hatte Kalli gedacht, würden den beiden eigentlich ganz gut tun, diesen Rotzgören.
»Kalli, so schweigsam kenne ich dich ja gar nicht. Redest doch sonst wie ein Wasserfall. Oder brauchst du zum Reden ein Telefon? Dann hättest du dir eins anschaffen sollen, müsstest dann nicht immer zum Telefonieren in den S-Bahnhof.«
Die Stimme stand jetzt direkt hinter ihm und klang genauso ruhig wie am Telefon, wirkte durch ihre unmittelbare Nähe aber tausendmal bedrohlicher.
»Ihr Freund hier poliert einem ja gleich die Fresse, wenn man was sagt. Sind das jetzt die neuen Polizeimethoden?«
»Es gibt in der Tat ein paar neue Polizeimethoden. Aber das wollte ich mit dir nicht erörtern. Du weißt bestimmt, warum ich hier bin.«
»Mein Anruf vorhin?« Kalli schüttelte den Kopf, unwillig, alswolle er die ganze Szene, die ganze, für ihn so unangenehme Situation, nicht wahrhaben. »War doch nur ein kleiner Spaß.«
»Ich hab dich aber gar nicht lachen hören.«
»Ich verpfeif
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