Goldstein
auch noch Ärger mit Charly am Frühstückstisch. Als er sich zu ihr ins Bett legte, grummelte sie irgendetwas und drehte sich zu ihm um, legte ihren Arm um seine Schulter. Rath schmiegte sich an ihren warmen Körper, vorsichtig, um sie nicht zu wecken.Und als der Duft ihrer Haut in seine Nase stieg, dieser Duft, den nur Charly verströmte und sonst kein Mensch auf der Welt, als er diesen Duft endlich riechen konnte, schloss er die Augen und war auf der Stelle eingeschlafen.
12
D er Laden lag ruhig und dunkel da, die Gaslaternen in der Rigaer Straße waren längst abgedreht, und der Mond drang nur ab und zu einmal durch die Wolken. Nirgends brannte mehr Licht, in keiner Etage, das ganze Haus lag so dunkel da, wie die meisten Häuser nachts um zwei dazuliegen pflegten. Alex hatte die Straße nun fast eine Stunde beobachtet, aber seit dem halben Dutzend Fahrgäste, das die letzte S-Bahn ausgespuckt hatte, hatte sich keine Menschenseele mehr blicken lassen.
Es war spät geworden, als sie endlich in der Rigaer Straße angekommen war, später als beabsichtigt, und eigentlich hätte sie todmüde sein müssen, aber die Wut hielt sie wach, die Wut auf Kalli, die Wut auf die Bullen, die Wut auf diesen blöden Hauswart, dem sie eine nächtliche Klettertour zu verdanken hatte. Über mehrere Dächer hatte sie turnen müssen, bis sie im Vorderhaus endlich eine offene Dachluke entdeckt hatte.
Wohnung B war nach dem heutigen Zwischenfall endgültig verbrannt, so viel war klar. Alex würde noch genau einmal dorthin zurückkehren, und das nur, um ihren Krempel dort rauszuholen. Vorhin hatte sie dieses Risiko noch nicht eingehen wollen; erst einmal musste sie die Sache in Kallis Laden erledigt haben.
Obwohl sie mehr als sicher war, dass kein Mensch mehr auf der Straße war und auch niemand am Fenster, schaute sie vorsichtshalber noch einmal in alle Richtungen, bevor sie aus der dunklen Einfahrt trat, die Straße überquerte und zum Laden hinüberging. Kallis sorgfältig gemalte Buchstaben auf dem Pappschild hinter der Scheibe sagten ihr, dass geschlossen sei. Als sie sich jedoch mit dem Dietrich an der Ladentür zu schaffen machte, stellte sie fest, dass gar nicht abgeschlossen war. So langsam wie irgend möglich schobsie die Tür auf, um Kallis heiseres Glöckchen nicht auszulösen, das neue Kundschaft anzukündigen pflegte. Bis auf ein schüchternes Pling blieb die Glocke denn auch still. Dennoch horchte Alex in die Dunkelheit, ob da vielleicht jemand war, die offene Tür machte sie misstrauisch. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Alex musste an Benny denken, und die Erinnerung schmerzte. Sie sah sein lachendes Gesicht und dann die Visage des Bullen, der ihn getötet hatte, der mit seinen Stiefeln Bennys Finger bearbeitet hatte, als würde er eine Zigarette austreten, und die Wut stieg wieder in ihr hoch.
Dass Kalli vergessen hatte, seinen Laden abzuschließen, wunderte sie. Andererseits neigte er dazu, sich manchmal zu betrinken, und dann war ihm alles zuzutrauen. Auch, dass er den Weg nach Hause nicht mehr geschafft hatte und hinten auf dem Sofa eingeschlafen war. Na, für diesen Fall hätte sie immer noch ihr Messer. Sie hatte keine Angst vor dem Mann, sie war schon mit ganz anderen fertig geworden. Zur Not würde sie sich ihr Geld eben mit Gewalt holen.
Der Gedanke an einen schnarchenden Kalli im Hinterzimmer ließ sie so leise vorgehen wie nur möglich. Sie konnte nicht viel sehen und durfte kein Licht machen, langsam tastete sie sich voran, bis sie die Ladentheke gefunden hatte, und folgte deren Verlauf mit den Fingerspitzen bis zur großen Registrierkasse. Alex wusste nicht, wie viel Geld Kalli abends in der Kasse liegen ließ, ob es nur ein paar Mark Wechselgeld waren oder mehr, sie wusste auch nicht, wo hier sonst etwas zu holen war. Ihr Plan war denkbar einfach: alles Geld mitnehmen, was sich hier auftreiben ließ. Bei ihrem Besuch am Mittag jedenfalls hatte ein ganz schönes Sümmchen in der Schublade gelegen.
Als sie die Kasse abtastete, um herauszufinden, wie sie am besten zu öffnen sei, ohne allzu viel Lärm zu machen, stutzte sie, zuckte vor Schreck und Überraschung sogar ein bisschen zusammen: Die Kasse stand sperrangelweit offen, die große Geldschublade war bis zum Anschlag herausgefahren. Und sie war leer, komplett leer. Kein einziger Schein, nicht einmal eine Münze.
Ein komisches Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. Natürlich war es möglich, dass Kalli gesoffen hatte, es war
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