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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Falten. »Ich hoffe nur, dass sich Ihre Verdachtsmomente nicht allein darauf gründen, dass Mister Goldstein mosaischen Glaubens ist.«
    »Ich glaube, da kann ich Sie beruhigen«, sagte Rath. »Die Weisung zur Überwachung von Mister Goldstein kommt vom Vizepolizeipräsidenten Doktor Weiß persönlich.«
    Grunert nickte zufrieden. Dem Juden Bernhard Weiß Antisemitismus zu unterstellen, das wäre nun wirklich lächerlich. Hier im Hause nahm man solche Dinge ernst. Das Excelsior , so erzählte man jedenfalls, sollte sogar schon einmal Adolf Hitler vor die Tür gesetzt haben, aus Rücksichtnahme auf die jüdischen Gäste, denen man es nicht zumuten wollte, mit solch einem primitiven Antisemiten unter einem Dach zu nächtigen.
    »Herr Kommissar«, sagte der Hoteldetektiv und räusperte sich noch einmal, »grundsätzlich haben wir nichts dagegen einzuwenden, dass Sie Herrn Goldstein überwachen, sicher ist sicher. Auch wenn ich, ehrlich gesagt, nicht glaube, dass Ihr sogenannter dringender Verdacht sich bewahrheiten wird. Ich darf Sie aber, bei allem Verständnis für Ihre Maßnahme, auch Ihrerseits um Diskretion bitten ...«
    »Natürlich.«
    »... und ich fürchte, unter diesem Gesichtspunkt ist Ihr Beobachtungsposten hier doch etwas auffällig. Zu auffällig für die übrigen Gäste unseres Hauses, die sich fragen dürften, warum Sie den lieben langen Tag an diesem Schreibtisch sitzen.«
    »Dann müssen wir denen eben eine befriedigende Antwort liefern. Ich habe jedenfalls nicht vor, diesen Posten hier zu verlassen, nur weil sich ein paar Gäste darüber den Kopf zerbrechen könnten.«
    »Eine befriedigende Antwort«, sagte Grunert, »genau das wollte ich Ihnen vorschlagen. Ich lasse Ihnen ein paar Bücher aus der Bibliothek bringen, dazu Stift und Papier. Damit sind Sie dann ein Schriftsteller, ein Gast unseres Hauses, der sich an diesem Schreibtisch die nötige Inspiration holt ...«
    »Ein Schriftsteller?« Rath schaute skeptisch. »Wer soll denn das glauben?«
    »Ich lasse unten in der Halle die entsprechenden Gerüchte in die Welt setzen, dann weiß es bald das ganze Hotel. In dieser Hinsicht ist auf den guten Teubner Verlass.«
    »Ich habe doch überhaupt keine Ahnung vom Schreiben, ich jage Verbrecher!«
    »Dann sind Sie eben Kriminalschriftsteller. Das passt doch. Und Ihr neuer Roman spielt in einem Hotel.«
    Als Reinhold Gräf ungefähr eine halbe Stunde später aus dem Aufzug trat, an der Leine einen schwanzwedelnden schwarzen Hund, wunderte er sich über die Bücherstapel und die Kladde, in die sein Chef gerade etwas kritzelte.
    »Führst du jetzt Buch über jeden, der aus dem Aufzug kommt? Oder malst du das Tapetenmuster ab?«
    »Sieht man das nicht? Ich bin ein berühmter Schriftsteller, der hier inkognito sein neuestes Werk zu Papier bringt.«
    Gräf schaute ihm über die Schulter. »Also für mich sieht das eher aus wie Tapetenmuster.«
    Auf dem Papier waren tatsächlich nur Strichmännchen und abs­trakte Muster zu sehen.
    »Mir fehlt halt noch die Inspiration«, sagte Rath. »Und wie ist es bei dir draußen gelaufen?«
    »Kirie hat brav Pipi gemacht, wenn du das meinst. Und Goldstein hat auch nicht versucht, über die Fassade zu entkommen. Einmal habe ich ihn am Fenster gesehen, glaube ich. Ich denkeaber nicht, dass er mich erkannt hat. Und bei dir? Hat sich unser Freund schon blicken lassen?«
    Rath schüttelte den Kopf. »Bislang nur der Hoteldetektiv. Der hatte auch die glorreiche Idee, dass ich hier den Schriftsteller spiele. Damit sich die Hotelgäste nicht wundern. Aber Goldstein müsste wach sein. Das Zimmermädchen hat er jedenfalls hereingelassen.«
    »Und gefrühstückt?«
    »Höchstens das Zimmermädchen. Sonst hat er sich jedenfalls nichts aufs Zimmer bringen lassen.«
    Wie auf’s Stichwort öffnete sich die Tür von Zimmer 301, und das Zimmermädchen erschien, warf den beiden Polizisten einen kurzen Blick zu und verschwand dann im Gang und aus ihrem Blickfeld. Kaum war sie verschwunden, glitten die Fahrstuhltüren auseinander, und der Etagenkellner rollte einen Servierwagen hinaus, mit dem er in Zimmer 301 verschwand.
    »Ich glaube, der hat wirklich das Zimmermädchen gefrühstückt«, flüsterte Gräf.
    Rath zuckte die Achseln. »Jedenfalls lässt er es sich gut gehen.« Er schaute Gräf an. »Du solltest nicht die ganze Zeit hier herumstehen«, sagte er, »sonst hält man dich hernach noch für den Sekretär des berühmten Schriftstellers. Lass mir den Hund hier und vertritt dir ein

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