Goldstein
Ami nichts angingen. Er fummelte eine Overstolz aus seinem Etui.
»Interessante Marke«, sagte Goldstein. »Darf ich mal.«
Rath zögerte.
»Na, kommen Sie! Wenn ich etwas von Ihnen nehme, ist das ja wohl keine Bestechung. Außerdem haben Sie gestern eine Camel geschnorrt.«
»Bedienen Sie sich.«
Die Männer rauchten einen Moment schweigend und tranken von ihrem Kaffee.
»Ich verstehe immer noch nicht«, sagte Goldstein, »was ich eigentlich verbrochen haben soll, dass Sie mich so behandeln.«
»Sie verwenden das falsche Tempus. Es geht nicht darum, was Sie verbrochen haben, sondern darum, was Sie verbrechen könnten.«
»Seltsame Arbeitsweise, die deutsche Polizei. Ich kann also gar nichts tun, um Sie loszuwerden?«
»Doch. Reisen Sie wieder ab.«
»Wissen Sie was? Ich habe eine bessere Idee. Ich warte einfach darauf, dass Ihre Bosse Sie irgendwann zurückpfeifen, wenn sie gemerkt haben, wie lächerlich diese Aktion ist.«
18
A lex stand in der Büschingstraße und peilte die Lage. Die genaue Uhrzeit wusste sie nicht, ihre Taschenuhr lag oben bei den anderen Sachen in Wohnung B, aber es musste jetzt so in etwa halb eins sein. Aus den Fenstern drang der Geruch von Zwiebeln und Kohl und Bratwurst. Zeit fürs Mittagessen. Nur vor dem Männerwohnheim der Heilsarmee drängten sich ein paar abgerissene Gestalten, die wohl noch etwas vom Mittagstisch abbekommen wollten, ansonsten war die Büschingstraße nahezu menschenleer. Und hoffentlich auch der Hof zu Wohnung B.
Alex hatte Vicky am Großmarkt von ihrem letzten Geld noch einen Kaffee ausgegeben, sich selbst eine Sechserpackung Juno gegönnt und dann die 66 zum Büschingplatz genommen. Sie wollte die günstige Gelegenheit nicht vertrödeln; die Mittagszeit war diebeste Zeit, wenn sie es vermeiden wollte, dem Hauswart und der ollen Petze Karsunke über den Weg zu laufen, das hatten Benny und sie früher schon ausgenutzt. Spätabends hinein, mittags raus, das war das beste Rezept, wenn man keine dummen Fragen beantworten wollte. Wie dieses eine Mal, als der Hauswart sie tatsächlich gefragt hatte, wo sie denn hin wolle. Sie hatte die Antwort gegeben, die Benny ihr eingetrichtert hatte: zu Grünbergs im Hinterhaus. Den Namen hatten sie von den Briefkästen.
Aber diese Ausrede zog nun nicht mehr, jetzt, wo der Hauswart sie auf dem Kieker hatte, der ollen Karsunke sei Dank. Also: ein letztes Mal rein, die Sachen rausholen, und dann war’s das mit Wohnung B. Dann konnte der Hauswart ihretwegen den Dachboden auf den Kopf stellen, so lang und so gründlich er wollte.
Alex stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schaute durch die Hofeinfahrt. Da oben im Hinterhaus, gleich unterm Dach, lagen ihre Sachen. Nicht nur der Schlafsack, auch ihr persönlicher Krempel in einer kleinen Blechdose. Und Bennys Bilder, die er gehütet hatte wie einen Schatz. Schien alles leer zu sein auf dem Hof, kein Mensch zu sehen, selbst die Kinder, die vor ein paar Minuten noch unter der Teppichstange gespielt hatten, waren nun verschwunden. Langsam wurde es Zeit, die Schlange vor dem Heilsarmeeheim war bereits auf drei Männer geschrumpft und erinnerte sie daran, dass die Mittagszeit nicht ewig dauerte. Alex holte tief Luft, wünschte dem Hauswart und seinem freiwilligen Spitzel einen guten Appetit, und überquerte die Straße. Sie hatte den Torbogen gerade erreicht, da öffnete sich die Tür des Nachbarhauses, und jemand trat heraus.
Ein Schupo.
Alex starrte auf die blaue Uniform wie auf einen Albtraum. Und dann erkannte sie das Gesicht. Verdammt, was machte der hier in der Gegend? Das KaDeWe lag im Westen, das hier war Friedrichshain.
Wohnung B war verbrannt, so viel war jetzt klar. Alex war sich noch nicht sicher, ob der Bulle sie ebenfalls erkannt hatte, sie änderte geistesgegenwärtig ihre Richtung, tat so, als käme sie gerade aus dem Hof, bog scharf ab und drehte ihm den Rücken zu, versuchte, so ruhig und unauffällig wie möglich die Straße hinunterzugehen. Was zum Teufel machte der hier? Das war doch überhaupt nicht sein Revier!
»Hey, Mädchen, warte doch mal!«
Alex blieb stehen, drehte sich aber nur so wenig um, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. »Wer, ich?«, fragte sie.
»Du kommst doch gerade aus dem Haus da, oder? Ich hätte ein paar Fragen an dich.«
Sie konnte ihm nicht das Gesicht zuwenden. Auch wenn er sie vor drei Tagen nur in Jungenklamotten gesehen hatte, musste er sie doch sofort erkennen! »Tut mir leid, ich hab’s eilig«, sagte
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