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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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fiel, schaute er wieder auf. Goldstein blickte in unerschrockene Augen.
    »Sie sind mir empfohlen worden«, sagte er.
    20
    N un saß der Einsatzleiter ihm also noch einmal gegenüber. Genau wie gestern war die Uniform von Polizeileutnant Sebastian Tornow perfekt gebügelt, wie gestern saßen sie in Vernehmungsraum B, wie gestern hatte Lange zwei Tassen Kaffee bringen lassen, um die Atmosphäre aufzulockern. Aber sonst war alles anders. Der Schupo-Offizier machte aus seiner schlechten Laune keinen Hehl, auch nicht aus seiner Ungeduld. Er saß keine Sekunde ruhig auf dem Stuhl, wippte hin und her und schaute alle Augenblicke auf die Uhr. Selbst die Stenotypistin, die mit gezücktem Bleistift auf die ersten wichtigen Worte wartete, hatte er mit seiner Ungeduld angesteckt.
    Lange wusste, dass er sich keine Freunde machte im Polizeicorps, wenn er die Vernehmungen noch einmal aufrollte und die Akte nicht, wie von allen erwartet, nach ein, zwei Tagen an die Staatsanwaltschaft weiterreichte, aber Gennat hatte ihm diese Aufgabe übertragen, und er wollte sie genauso gewissenhaft lösen wie alles andere, das er anpackte. Er ging die Notizen noch einmal durch, die er sich nach seinem Gespräch mit dem Kriminalrat heute Morgen gemacht hatte. »Das ist eine ernste Anschuldigung, die Sie hier vorbringen«, hatte Buddha Gennat gesagt, »Hauptwachtmeister Kuschke versieht schon seit vielen Jahren seinen Dienst bei der preußischen Polizei. Bevor Sie ihn solch einer Tat beschuldigen, müssen Sie zunächst alle anderen Möglichkeiten ausschließen können. Sie haben meine Unterstützung, aber Sie sollten sehr behutsam vorgehen.« Behutsam. Na, dann mal los! Lange klappte die Akte zu und zündete sich eine Muratti an. Manchmal halfen die gegen seine Nervosität.
    »Gestern haben Sie noch nicht geraucht, Herr Kriminalsekretär. Könnten Sie das bitte auch heute unterlassen? Ich vertrage den Rauch nicht.«
    »Kriminalassistent«, verbesserte Lange. Er konnte nichts dagegen tun, er wurde rot. »Wenn Sie darauf bestehen«, sagte er und drückte die Zigarette wieder aus, ohne noch einmal daran gezogen zu haben. Die Stenotypistin, offensichtlich ebenfalls Nichtraucherin, schenkte dem Schupo einen dankbaren Blick.
    »Worauf warten wir eigentlich noch?«, fragte Tornow.
    »Auf den Beamten, der sich zum Zeitpunkt des Todessturzes oben auf der Brüstung befand. Ich hatte Sie doch darum gebeten, den Mann zu informieren, dass er ebenfalls zum Alex ...«
    »Hauptwachtmeister Kuschke können Sie erst morgen sprechen, der befindet sich im Einsatz.«
    »Und warum sagen Sie mir das erst jetzt?«
    »Weil Sie mich erst jetzt danach fragen.«
    Lange räusperte sich. Vom Dienstgrad her stand dieser Mann, obwohl nur wenige Jahre älter, einige Stufen über ihm.
    »Wo im Einsatz, wenn ich fragen darf?«
    »Auf der Straße. Da, wo unsereins seine Knochen hinhält, damit die Schreibtischhengste der Kripo ihren Arsch auf alten Bürostühlen plattdrücken können.«
    Die Stenotypistin verschluckte ein Kichern, lief rot an und hüstelte verlegen. Christel Temme, die Langes Vernehmungen normalerweise stenografierte, hätte auch den letzten Satz in stoischerPflichterfüllung mitgeschrieben, ohne mit der Wimper zu zucken, aber Hilda Steffens, die Urlaubsvertretung der Temme, hörte offensichtlich zu. Und sah jetzt so aus, als überlege sie, ob sie das Stenokürzel für Arsch nun zu Papier bringen sollte oder nicht.
    Tornow schien die Situation zu genießen. Du gestriegelter Lackaffe, dachte Lange, sitzt da und kommst dir toll vor! Siehst du so aus, als ob du irgendwo deine Knochen hinhalten würdest? »Sie können sich Ihre unflätigen Bemerkungen sparen, Leutnant«, sagte er und merkte, dass seine Stimme schärfer klang, als er beabsichtigt hatte, »als Polizeibeamter sollte es Ihnen doch eigentlich möglich sein, sachlich zu bleiben.«
    Immerhin, seine Worte machten Eindruck, der Schupo lenkte ein.
    »Entschuldigen Sie meine schlechte Laune«, sagte Tornow, »aber es ist nun mal so, dass ich Wichtigeres zu tun habe, als jeden Tag bei Ihnen zum Rendezvous zu erscheinen. Ich dachte, Sie hätten gestern bereits alle Fragen gestellt, die Sie zu stellen haben. Machen wir’s also bitte so kurz wie möglich.«
    »Das hängt ganz von Ihnen ab.«
    »Von Ihnen nicht minder – wenn Sie keine Fragen stellen, kann ich auch nicht antworten.«
    Lange überging die erneute Spitze und warf der Steffens, die immer noch unschlüssig abwartend auf ihrem Stuhl saß, einen Blick zu,

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