Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
hinunterzulaufen!
    Ein dunkles Grummeln drang aus dem westlichen Tunnel. Alex lief noch ein Stückchen, bis sie fast wieder am Anfang des Bahnsteigs angekommen war, und drehte sich um. Die östlichen Treppen kam niemand herunter, aber hinter ihr rauschte die U-Bahn aus dem Dunkel. Die Bahn verlangsamte ihre Fahrt, und direkt neben Alex öffnete sich die Tür eines Raucherwagens wie eine Einladung. Ein paar Leute stiegen aus, ein paar ein, die Tür stand weiterhin offen. Immer noch kein Uniformblau auf den Treppen, und Alex stieg ein in den Nikotindunst des Wagens, der nur von Männern bevölkert war, von denen mindestens die Hälfte das Schild Raucher offensichtlich als Befehl auffasste.
    Während sie auf das Kommando des Stationsvorstehers wartete, schaute Alex weiter nach draußen. Der Bahnsteig beschrieb eine weit gezogene Kurve, und so konnte sie das andere Ende gut erkennen. Da kamen schwere Stiefel die Treppe herunter, der Bulle trat auf den Bahnsteig im gleichen Moment, in dem das »Zurückbleiben« des Stationsvorstehers erklang.
    Die Augen unter dem Tschako tasteten den Bahnsteig ab, und Alex dachte nur eines: Fahr los, fahr los, fahr los!
    Doch die Bahn fuhr immer noch nicht. Der Bulle schaute und spurtete los. Im letzten Moment warf er sich in die Bahn; irgendwer musste ihm die Tür wieder aufgemacht haben.
    Scheiße!
    Sie war ihren Verfolger immer noch nicht losgeworden. Wenigstens fuhr er ganz vorn im ersten Wagen, im Zug konnte er sie also unmöglich kriegen, erst auf einem Bahnhof. Und genau da musste sie ihm auch entwischen, ihre einzige Chance, diesem hartnäckigen Schupo zu entkommen, diesem Mörder, diesem Schwein, diesem verdammten Arschloch! Sie spürte, wie die Wut in ihr aufstieg, eine ohnmächtige Wut, die sie gegen die Stahlstangen in der Bahn schlagen ließ. Es wurde schwarz draußen vor den Scheiben, die Bahn tauchte ins Dunkel des Tunnels. Alex hatte das Gefühl, dass alle im Wagen sie feindselig anstarrten. Sie riss sich zusammen, kämpfte gegen ihre Wut an und gegen die Verzweiflung und bereitete sich auf den nächsten Halt vor.
    Strausberger Platz . Jetzt oder nie. Die Bahn hielt, und die Türen wurden geöffnet. Eine ganze Menge Fahrgäste wollten hier aussteigen. Alex trat mit der Rauchermeute auf den Bahnsteig, blieb aber an der Tür stehen, wo sich die Einsteigenden an ihr vorbeidrängen mussten, und schaute nach vorn an den Anfang des Zuges.
    Mist! Der Bulle war ebenfalls ausgestiegen. Hätte sie sich auch denken können! Und hatte sie schon entdeckt, setzte sich sofort in Bewegung und schlug Alarm. »Halten Sie das Mädchen da auf«, rief er und zeigte hinüber zu Alex, »das ist eine Diebin!«
    Die meisten Passanten reagierten nicht, taten so, als hätten sie nichts gehört. Nur ein dicker Mann mit Schnauzbart hatte offensichtlich beschlossen, sich einzumischen. Er machte Anstalten, sich Alex zu nähern.
    »Sei besser friedlich, Mädchen«, sagte er, »mir gehst du nicht durch die Lappen.«
    »Rühr mich bloß nicht an, du Fettsack!«, fauchte Alex den Dicken an, und der fing an zu grinsen.
    »Na, kiek einer an! Du bist mir ja ’ne Göre. Eine mit Krallen, wa?«
    »Zurückbleiben«, hörte Alex die Lautsprecherstimme des Stationsvorstehers knarren.
    Der Dicke streckte seine Wurstfinger aus und versperrte ihr den Weg zum Ausgang, vom anderen Ende des Bahnsteigs kam der Schupo immer näher, Alex musste etwas tun. Und sie wusste auch schon was.
    »Hast du nicht gehört: Zurückbleiben! «, sagte sie und trat dem Dicken ansatzlos und so fest sie konnte zwischen die Beine.
    Volltreffer! Der Fettsack krümmte sich, lief dunkelviolett an und setzte sich rücklings auf den Bahnsteig.
    Das Abfahrtssignal ertönte, und irgendjemand wollte die Tür schließen, doch Alex blockierte sie blitzschnell mit dem rechten Fuß, quetschte dann ihren Körper in die Schiebetür und drückte sie wieder auf. Kaum war sie in den Wagen gesprungen und hatte die Tür hinter sich zugezogen, setzte sich die Bahn auch schon in Bewegung. Diesmal hatte der Bulle nicht hinterherkommen können, sie hatte es geschafft!
    Die Fahrgäste ringsum rauchten und taten, als ginge sie das alles nichts an, was sich da vor der Tür abgespielt hatte, dennoch drängelte Alex weiter, in eine Ecke des Wagens, wo niemand den Zwischenfall mitbekommen hatte. Hoffentlich. Sie spürte eine unendliche Erleichterung, dass sie den Bullen losgeworden war, und gleichzeitig eine grenzenlose Wut. Dieses Arschloch hatte sie abknallen wollen,

Weitere Kostenlose Bücher