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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Vorgesetzter erst einmal hinter seine Untergebenen, wenn die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen, das war selbstverständlich. Und irgendetwas war da oben an der Fassade des KaDeWe passiert, das nicht mit den bisherigen Aussagen der Beamten zusammenpasste, womöglich sogar einMord. Wusste Tornow davon – oder ahnte es zumindest – und versuchte einen seiner Männer zu decken? Den heute so unabkömmlichen Hauptwachtmeister Kuschke? Jedenfalls hatte er den aalglatten, wie aus dem Ei gepellten Schupo-Leutnant ein wenig aus dem Konzept gebracht, und das reichte erst einmal.
    Lange legte den Stift beiseite und stand auf. »So, das wär’s«, sagte er.
    »Das war alles? Und deswegen lassen Sie mich herbitten?«
    »Sie haben doch selbst darum gebeten, die Sache kurz zu machen.« Er reichte Tornow die Hand zum Abschied. »Wenn Sie Hauptwachtmeister Kuschke bitte ausrichten, er möge sich morgen früh um elf bei mir melden?«
    Tornow schaute Lange in die Augen, als könne er da lesen, was der Kriminalassistent dachte, und nickte. »Natürlich«, sagte er. »Morgen um elf.«
    Kaum war der Mann draußen, zündete Lange die ausgedrückte Muratti wieder an.
    »Soll ich die Aussagen jetzt ins Reine tippen?«, fragte die Stenotypistin und stand auf.
    »Nicht nötig, Fräulein Steffens. Sie haben ja selbst gehört, wir haben diese Aussagen alle bereits im Protokoll. Werfen Sie Ihre Notizen doch einfach weg und machen Sie Feierabend. Ist so ein schöner Tag heute.«
    Hilda Steffens schaute den Kriminalassistenten an, als sei der nicht ganz zurechnungsfähig, packte dann aber ihre Sachen zusammen und verließ den Raum. Lange nahm einen tiefen Zug und lehnte sich zurück. Vielleicht sah er Gespenster, vielleicht interpretierte er zu viel in das Verhalten des Einsatzleiters, aber er war sich sicher, dass Leutnant Tornow zumindest ahnte, dass bei einem Einsatz, den er zu verantworten hatte, etwas passiert war, das nicht hätte passieren dürfen. Tornow stand kurz davor, eine Karriere bei der Kripo anzufangen; wäre natürlich ärgerlich, wenn ein schwarzer Fleck in seiner Personalakte ihm gleich die ganze Zukunft verdunkeln sollte. Lange musste den Leutnant so weit bringen, dass er einsah, dass eine Kooperation in diesem Fall besser für seine Karriere wäre als zu mauern. Hätte er den Einsatzleiter erst mal auf seiner Seite, würde er die Sache schon schaukeln, dann hätte er Kuschke bald am Haken.
    21
    A ls er der Dunkelheit entkommen war und wieder in der Grenadierstraße stand, inmitten all der Juden, die hier geschäftig durch ihre eigene kleine Welt wuselten, als gäbe es keine andere, war Abraham Goldstein ein gutes Pfund schwerer geworden und fühlte sich wie ein anderer Mensch. Seine Finger suchten im Schutz der Manteltasche nach dem kalten Metall, spielten mit dem Gewicht, umfassten den geriffelten Griff. Fühlte sich gut an in seiner Hand, gut und vertraut. Er hatte keine Schießprobe machen können, nicht in diesem Laden mitten in der Stadt, aber er war sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben.
    Eine Remington, Modell 51. Klein, handlich, wirksam. Er hatte nicht damit gerechnet, in diesem Land, so weit weg von zu Hause, eine auftreiben zu können. Der wortkarge Werkzeugmacher hatte ihn nur kurz gemustert, als Abe nach einer Schusswaffe gefragt hatte, war noch eine Weile mit dem Feilen fortgefahren und dann zu einem Schrank im hinteren, dunklen Teil der Werkstatt gegangen und hatte zielsicher hineingegriffen. Drei Pistolen hatte er aus den Tiefen des Schrankes gezogen, eine deutsche, eine belgische – und die Remington. Selbst wenn die anderen beiden Pistolen – die belgische rostete schon, die deutsche hatte einen leicht verzogenen Lauf – in Ordnung gewesen wären, Goldstein hätte sich immer für die Remington entschieden. Die Remington 51, das war seine Waffe, wie für ihn geschaffen. Der Preis war in Ordnung, nur Munition hatte der Werkzeugmacher ihm nicht allzu viel mitgeben können. Aber für seine Zwecke in dieser Stadt würde es reichen; er hatte ja nicht vor, Schießübungen zu veranstalten.
    Er konnte sich noch gut an das Gefühl erinnern, als er das erste Mal geschossen hatte, unter der Williamsburg Bridge, er dürfte kaum älter als zwölf gewesen sein, kurz vor seiner Bar Mizwa und bestrebt, den Gott seiner Väter nicht länger zu fürchten.
    Das Gewicht der Pistole in seiner Hand, ein Browning-Colt, beinahe doppelt so schwer wie die Remington. Moes Jungs um ihn herum, sie standen da und

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