Goldstück: Roman (German Edition)
ich wissen.
»Ja«, antwortet sie, »ich hab gleich einen Termin beim Frauenarzt.«
»Schon wieder?«, wundere ich mich. »Du warst doch erst vorgestern da, muss man denn da so oft hin?«
Nadine verdreht die Augen. »Natürlich nicht«, erklärt sie mir, »aber Ralf will sich mit mir zusammen ein paar Ärzte ansehen, um sicherzugehen, dass ich in den Händen des besten Gynäkologen der Stadt bin. Dabei war ich mit meinem bisher sehr zufrieden.« Sie seufzt.
»Ach, ist doch süß, wenn Ralf sich solche Gedanken macht.« Wieder taucht das Bild in meinem Kopf auf, wie Daniel und ich zusammen in einem Wartezimmer sitzen, er ganz der aufgeregte Papa, während ich … Ich verscheuche die Vorstellung, nicht dass ich mir selbst da noch einen Floh ins Ohr setze, für den es wahrlich zu früh ist.
»Na ja«, meint Nadine, »Hauptsache, er übertreibt es nicht. Ich bin dann mal weg, Roger wollte in zehn Minuten hier sein. Wir zwei sehen uns ja am Montag.«
»Genau«, antworte ich, wir verabschieden uns mit Küsschen.
»Und denk dran«, wiederholt Nadine, als hätte ich Alzheimer, »wenn es was gibt: Ich bin jederzeit für dich da. Und Stefan auch.«
»Mit Stefan«, entgegne ich lächelnd, »habe ich mich gerade verabredet. Er kommt um fünf bei mir vorbei.«
»Brav«, lobt mich Nadine. »Demnächst machen wir dann mal wieder einen Mädelsabend.« Kurz verfinstert sich ihr Gesicht, und sie fügt hinzu: »Mit Apfelsaftschorle.«
Ich muss lachen. »Na, das geht ja auch irgendwann vorbei.«
Um zwanzig nach zwei komme ich bei meiner Wohnung an, nachdem ich noch schnell Lebensmittel und ein paar Putz-utensilien besorgt habe. Vorne in den Büroräumen sieht es ganz
gut aus, da halte ich auch immer einen Vorrat an Kaffee, Tee, Wasser und Gebäck für meine Klienten bereit, aber im Wohnbereich könnte es etwas, na ja, wohnlicher aussehen.
Als ich gerade die Haustür aufschließen will, erklingt eine weibliche Stimme.
»Frau Schäfer?«
»Ja?« Ich drehe mich um. Vor mir steht Dorothee Hansmann, Daniels Schwester. »Frau Hansmann!«, rufe ich überrascht aus. »Was machen Sie denn hier?«
»Unverzagt«, sagt sie. »Ich heiße in Wahrheit Unverzagt.«
»Ach, richtig.« Ich grinse sie an. »Die Sache mit der Personalchefin war ja nur erfunden, hab ich glatt vergessen.«
Sie lächelt zaghaft zurück. »Genau«, bestätigt sie, »wir mussten mir natürlich einen anderen Nachnamen geben, sonst hätten Sie es gleich gemerkt.«
»Stimmt«, stelle ich fest, »so blöd wäre selbst ich nicht gewesen, dass ich Ihnen geglaubt hätte, dass Sie beide den gleichen Nachnamen haben, noch dazu einen so ungewöhnlichen!«
»Dorothee«, erklärt sie unvermittelt. »Sag doch bitte Dorothee zu mir, du bist immerhin die Freundin meines Bruders.«
»Gut«, willige ich ein, »Dorothee.« Und nach einem kleinen Zögern füge ich hinzu: »Kirsten.« Das fällt mir zwar immer noch schwer, aber anders geht es bei Daniels Schwester natürlich nicht, ich kann sie schlecht darum bitten, dass sie mich bitte schön weiterhin siezt. »Also, was führt dich her?«, will ich dann wissen.
»Ich, äh.« Dorothee tritt von einem Fuß auf den anderen und blickt etwas betreten zu Boden. »Tut mir leid, dass ich dich hier so überfalle, ohne zu wissen, ob ich dich gerade irgendwie störe.«
»Kein Problem«, versichere ich schnell. Dorothee sieht nahezu elend aus im Vergleich zu dem Abend, an dem ich sie kennengelernt habe. Unter ihren hübschen Augen zeichnen sich
dunkle Ringe ab, und ich frage mich, was sie wohl hat. Und vor allem: was sie zu mir führt. »Du störst mich nicht«, füge ich hinzu, weil ich den Eindruck habe, dass sie gerade etwas Zuspruch braucht.
»Nein?«, will sie trotzdem noch einmal wissen.
»Nein, wirklich nicht. Aber lass uns doch erst einmal hineingehen, hier stehen wir so blöd auf der Straße rum«, fordere ich sie auf. Schon will ich die Haustür aufschließen, da fällt mir im letzten Moment der desaströse Zustand meiner Wohnung ein. »Ach, gehen wir einfach vorn in mein Büro«, meine ich und mache kehrt in Richtung Ladeneingang.
»Gut.« Dorothee folgt mir.
»Nimm Platz.« Als wir im Besprechungszimmer stehen, deute ich auf einen der zwei Sessel und setze mich selbst in den anderen. Mit einem unmerklichen Seufzer lässt Dorothee sich nieder. »Möchtest du etwas trinken?«, frage ich, immer noch unsicher, was ich mit diesem Überraschungsbesuch anfangen soll.
Dorothee schüttelt den Kopf. Dann beginnt sie wieder zu
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