Goldstück: Roman (German Edition)
Sebastian trennen?«, will sie wissen.
Ich hebe abwehrend die Hände. »Nein, natürlich nicht!« Obwohl ich am liebsten sagen würde: Das liegt doch wohl klar auf der Hand, der Kerl hält dich nur hin, bis du zu alt fürs Kinderkriegen bist! Und wer weiß, irgendwann lässt er dich dann sitzen, haut mit einer Fünfundzwanzigjährigen ab und zeugt mit ihr vier Kinder. Soll es alles schon gegeben haben.
Schon erstaunlich, wie klar man die Dinge sieht, wenn es nicht um einen selbst, sondern um andere geht. Als Außenstehende ist es so viel leichter, eine Situation zu beurteilen, wenn man emotional nicht involviert ist. Trotzdem hüte ich mich davor, Dorothee zu sagen, dass sie ihren Sebastian in den Wind schießen soll. Wenn, dann muss sie von alleine darauf kommen. Ich versuche, mich daran zu erinnern, was ich in den vergangenen Wochen alles gelesen habe, und durchforste mein Gehirn nach einem Tipp, der für Daniels Schwester vielleicht hilfreich sein könnte.
»Letztlich geht es nur darum«, fahre ich dann fort, »dass du
herausfindest, was deine wahren Wünsche sind. Und zwar unabhängig von dem, was Sebastian will, zunächst jedenfalls einmal. Du kannst nur über dein eigenes Leben bestimmen, einen anderen Menschen kannst du gegen seinen Willen nicht verändern. Aber wenn du dich veränderst, tun andere es vielleicht auch, darum geht es.«
»Was meinst du damit, mich verändern?«
»Nun«, ich überlege, wie ich ihr das am besten erklären soll. »Bisher hast du immer darauf gewartet, dass Sebastian sich deinem Kinderwunsch anschließt. Aber er tut es anscheinend nicht, jedenfalls noch nicht. Jetzt kannst du entweder noch weiter warten – oder eben etwas verändern. Indem du dir deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse klarmachst und anfängst, danach zu leben.«
»Das würde ich ja gern«, seufzt Dorothee. »Nur mittlerweile weiß ich manchmal selbst nicht mehr, was ich will. Ich bin so durcheinander, mal denke ich, ohne ein Kind werde ich niemals glücklich werden. Dann wieder denke ich an Sebastian und unsere gemeinsamen Jahre und finde, dass ich damit doch sehr zufrieden sein kann.«
»Aber ist zufrieden genug?«, stelle ich eine ketzerische Frage.
Wieder ein Seufzen. »Ich weiß es nicht.« Auf einmal sieht sie wieder sehr unglücklich aus. »Aber noch viel weniger weiß ich, wie ich herausfinden soll, was für mich das Richtige ist, oft kann ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen.«
»Das ist ganz leicht«, behaupte ich und freue mich, dass mir just in diesem Moment eine von Kikis DVDs zu dem Thema einfällt, die ich mir vor nicht allzu langer Zeit angesehen habe. »Der Indikator für das, was du wirklich willst, sind deine Gefühle.«
»Meine Gefühle?«
Ich nicke. »Deine Gefühle sagen dir ziemlich deutlich, was
das Richtige für dich ist«, erkläre ich weiter. »Sie sind wie ein emotionales Feedback-System«, zitiere ich den Coach, den ich in dem Film gesehen habe. »Immer, wenn du dich bei einem Gedanken oder bei einer Vorstellung schlecht fühlst, ist das wie ein Navigationsgerät, das dir sagen will: Bitte wenden!«
»Bitte wenden?«
Ich nicke. »Ja, bitte wenden. Dann heißt das, dass du in der falschen Richtung unterwegs bist. Bei den Gedanken und Zukunftsvorstellungen dagegen, die in dir Zufriedenheit und Glück auslösen, bist du auf dem richtigen Weg, den du weiterverfolgen solltest.«
»Klingt gar nicht so schwierig«, stellt Dorothee fest, und ich höre die Hoffnung, die in ihrer Stimme mitschwingt.
»Ist es auch nicht«, bestätige ich. Und fühle mich in diesem Moment, als wäre ich Kiki, die ihrer kleinen, unzufriedenen Cousine Maike erklärt, dass das Leben eigentlich ganz einfach ist. Wie die Dinge sich in so kurzer Zeit verändert haben, nicht zu fassen!
»Dann muss ich also einfach nur«, meint Dorothee, »darauf achten, was mich traurig und was mich glücklich macht?«
»Im Prinzip schon. Und du musst natürlich auch danach handeln.«
Sie denkt einen Moment lang nach. Dann tritt wieder ein verzweifelter Ausdruck auf ihr Gesicht. »Wenn das so einfach wäre! Wir sind doch schon so lange zusammen. Außerdem: Wenn ich mich jetzt von ihm trenne, bleibe ich am Ende allein, und es wird gar nichts mehr mit meinem Kinderwunsch!«
Wie bitte? Ich glaube, ich höre nicht richtig! Da sitzt diese bildhübsche Frau vor mir, nach der sich vermutlich jeder Kerl, der noch seine Sinne beisammenhat, den Hals verrenken würde – und sie macht sich allen Ernstes Sorgen darüber,
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