Goldstück: Roman (German Edition)
Schürfwunde.«
»Aber …«, setzt Stefan wieder an.
»Stefan«, gehe ich dazwischen, »bist du so lieb und holst aus dem Bad in der Wohnung ein großes Pflaster? Im Alibert müsste eine Packung stehen.«
»Ja, natürlich«, versichert er und flitzt pflichtschuldigst davon.
»Hör zu«, wende ich mich sofort flüsternd an Dorothee und merke, wie ich mal wieder – wie schon so oft in letzter Zeit – Blut und Wasser schwitze. »Ich habe jetzt leider keine Zeit, dir das lange zu erklären. Aber es ist wichtig, dass Stefan nichts von unserer kleinen Sitzung hier weiß und davon, dass ich mit deinem Bruder zusammen bin.« Dorothee mustert mich verständnislos. »Ist es okay, wenn wir ihm sagen, dass du nur hier warst, um dir mein Büro als eventuelle Nachmieterin anzusehen?«
Sie nickt langsam. »Ist das dein Ex-Freund?«, will sie wissen. Ich bejahe ergeben. »Verstehe«, gibt sie dann flüsternd zurück. »Daniel hat mal erwähnt, dass dein vorheriger Freund nicht so gut mit der Trennung zurechtkommt.« Dann verfinstert sich ihre Miene. »Aber zwischen dir und ihm … das ist doch …«
»Nein«, beruhige ich sie, »da ist nichts mehr, er kommt nur hin und wieder vorbei, wir verstehen uns einfach noch gut. Allerdings«, füge ich noch hinzu, »wäre es besser, wenn du Daniel auch nicht erzählst, dass du Stefan hier getroffen hast.«
Noch immer sieht sie skeptisch aus. »Klingt für mich alles etwas komisch.«
Ich seufze. »Das glaube ich«, gebe ich zu. »Und ich kann dich nur bitten, mir zu vertrauen. Ich liebe deinen Bruder, wirklich! Es gibt auch keinen anderen, zwischen Stefan und mir ist nichts weiter als Freundschaft, das schwöre ich.«
»Aber dann …«, setzt sie wieder an.
»Ich muss es dir irgendwann einmal in Ruhe erklären. Und auch mit Daniel werde ich reden, versprochen, aber im Moment geht es einfach nicht.« Ich werfe ihr einen bittenden Blick zu. Dann höre ich Stefan in der Wohnung klappern, eine Tür geht, er wird also jede Sekunde zurück sein. »Wie gesagt«, fahre ich schnell fort, »ich erkläre es dir ein anderes Mal. Tust du mir jetzt erst einmal diesen Gefallen?«
»Sicher, klar.« Dorothee zwinkert mir zu und lächelt wieder freundlich und offen. »Du wirst deine Gründe haben, und immerhin bin ich dir was schuldig.«
»Danke!«, seufze ich erleichtert.
»So, da bin ich wieder!« Stefan kommt mit der Pflasterpackung in der Hand ins Büro, marschiert direkt auf Dorothee zu und kniet sich vor ihr hin.
»Gib mal her«, fordere ich ihn auf und will ihm die Pflaster aus der Hand nehmen, aber er weist mich mit seiner freien Hand zurück.
»Lass mich nur machen, ich kenne mich mit Verletzungen aus.«
»Sind Sie Arzt?«, will Dorothee wissen.
Stefan lacht. »Das nicht gerade«, erklärt er. »Ich bin Personal Trainer, aber natürlich gehört eine gewisse Kenntnis der Anato
mie mit zum Beruf.« Kenntnisse der Anatomie, Donnerwetter! So geschwollen habe ich Stefan noch nie daherreden hören.
»Aha«, meint Dorothee.
»Also, wollen wir mal sehen.« Vorsichtig zieht Stefan den Stoff der Jeans etwas beiseite und mustert die Wunde eingehend. »Sieht wirklich nicht so schlimm aus«, stellt er dann fachmännisch fest, »immerhin ist kein Schmutz in der Wunde, ein Pflaster dürfte fürs Erste reichen.« Er nimmt einen Streifen aus der Verpackung, zieht den Plastikschutz ab und legt das Pflaster dann vorsichtig auf Dorothees Knie. Sie zuckt kurz zusammen. »Tut’s weh?«, fragt Stefan besorgt nach.
»Nein, nein, ist schon gut.«
»Prima!« Er steht auf und betrachtet zufrieden sein Werk, als hätte er soeben einen komplizierten Splitterbruch operiert. »Müsste in ein paar Tagen schon wieder verheilt sein.«
»Na, dann.« Dorothee macht Anstalten, ebenfalls aufzustehen, doch Stefan hält sie sofort zurück.
»Was machen Sie denn da?«
»Ich will nach Hause gehen«, erklärt sie verwundert.
»Aber doch nicht in Ihrem Zustand!«
Jetzt lacht Daniels Schwester. »Was heißt denn, in meinem Zustand? Es ist doch nur ein aufgeschürftes Knie.« Wie zum Beweis stellt sie sich hin und wackelt dabei kein bisschen.
»Soll ich Ihnen nicht lieber ein Taxi rufen?«, schalte ich mich nun ein, damit ich hier nicht wie ein gedankenloser Depp danebenstehe.
»Das ist wirklich nicht nötig, Frau Schäfer«, antwortet Dorothee und zwinkert mir nahezu unmerklich zu. »Mein Auto steht ganz in der Nähe, die paar Meter schaffe ich schon.«
»Sind Sie sicher?«, hakt Stefan noch einmal
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