Goldstück: Roman (German Edition)
würde
gern, aber Daniel starrt so grimmig vor sich hin, dass ich mich nicht einmal traue, pieps zu machen.
Erst als er den Wagen vor meiner Wohnung parkt, scheint die Anspannung ein wenig von ihm abzufallen, und er wendet sich mir zu.
»Es tut mir leid«, sagt er. »Aber ich habe nicht damit gerechnet, ihr noch einmal zu begegnen, die Situation hat mich gerade einfach aus dem Konzept gebracht.«
»War das eine Ex-Freundin?«, spreche ich aus, was ich schon die ganze Zeit vermute.
»Ja«, bestätigt er, »das war sie.«
»Scheint dich ja noch immer sehr mitzunehmen«, meine ich und spüre ein bisschen Angst in mir aufsteigen. So wie Daniel auf sie reagiert hat, ist er mit der Sache alles andere als durch. Und ich muss zugeben, dass Sarah eine echte Erscheinung ist, neben der man sich wie ein hässliches Entlein fühlt. Rein äußerlich würden sie und Daniel perfekt zusammenpassen.
»Das ist es nicht«, erklärt Daniel. »Sie ist vor gut einem Jahr nach London gegangen, und ich habe gedacht, dass ich sie nie wiedersehe. Das heißt, ich habe es gehofft.«
»Ihr habt in derselben Firma gearbeitet?«
»Ja, das haben wir. Und offenbar ist sie jetzt zurück.« Er schlägt mit einer Hand aufs Lenkrad. »Weiß der Geier, was sie in Hamburg will!«
»Wahrscheinlich hat man ihr einfach nur ein gutes Angebot gemacht«, mutmaße ich.
»Glaub mir«, erwidert er wütend, »es gibt einen Grund, dass sie wieder hier ist. Sarah hat immer ihre Gründe, sie ist eine berechnende Lügnerin.«
»Willst du mir nicht erzählen, was damals passiert ist?«
Daniel seufzt. »Wir waren ein Jahr lang zusammen«, erzählt er stockend, »und ich dachte, es sei alles bestens. Sicher wusste ich, dass Sarah keine einfache Frau ist, aber ich war halt ein ver
liebter Trottel. Markus hat von Anfang an gesagt, dass er bei ihr ein komisches Gefühl hat, aber ich wollte nicht auf ihn hören. Sogar an Heirat habe ich bei ihr gedacht, weil ich fand, dass wir so perfekt zusammenpassen. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem ich feststellen musste, dass Sarah eine Art Doppelleben führte.«
»Ein Doppelleben?«
»Ja, sie war geschäftlich oft in Großbritannien. Jedenfalls dachte ich, dass es rein geschäftlich sei. Aber irgendwann verkündete sie mir, dass sie schon länger einen anderen in London hätte. Einen, der wichtiger war als ich. Schwupps, war sie weg und ließ mich von heute auf morgen zurück.«
»Oh«, bringe ich erstaunt hervor, »das ist hart.«
»Ja, das ist hart. Festzustellen, dass die Frau, die man zu lieben glaubt, überhaupt nicht diejenige ist, für die man sie hält. Ihr ging es nur ums Geld, und kaum war ein anderer da, der ihr mehr bieten konnte als ich, war sie weg.« Er nimmt meine Hand und drückt sie so fest, dass es beinahe schmerzt. »Verstehst du jetzt, weshalb ich manchmal so misstrauisch bin? Wenn man so etwas mal erlebt hat, hinterlässt das eben Spuren.«
»Ja, das verstehe ich.« Und noch etwas verstehe ich: Es ist kurz vor zwölf. Wenn ich Daniel nicht verlieren will, ist es an der Zeit, dass ich mir etwas einfallen lasse. Nur was, ist die Frage.
»Kann ich«, will Daniel wissen, »heute Nacht bei dir bleiben? Ich möchte mein Mädchen gern im Arm halten.«
»Natürlich«, antworte ich, wie könnte ich da »Nein« sagen? Vor allem, weil in mir mit einem Mal wieder diese panische Angst ausbricht, dass es eine meiner letzten Nächte mit Daniel sein könnte. Wenn er erst einmal weiß, was ich getan habe, werde ich nicht mehr »sein Mädchen« sein.
[home]
26. Kapitel
I ch verbringe das gesamte Wochenende mit Daniel bei mir zu Hause, wir gehen kaum vor die Tür. Wie gut, dass ich vorher mit Stefan noch aufgeräumt und geputzt habe, sonst wäre mir der Zustand meiner Wohnung vor Daniel mit Sicherheit peinlich gewesen, vor allem, weil bei ihm zu Hause immer alles picobello ist. Andererseits scheint Daniel ohnehin keine Augen für etwas anderes als mich zu haben, ständig nimmt er mich in den Arm, küsst mich und sagt mir, wie sehr er mich liebt – es ist absolut traumhaft.
Das heißt, es wäre noch viel traumhafter, wenn nicht diese eine Sache wie ein Damoklesschwert ständig über mir schweben würde: die Frage, wie und wann ich ihm schonend alles sagen kann, ohne dass er komplett ausrastet. Vor allem, nachdem jetzt schon seine Schwester misstrauisch ist. Auch wenn sie gesagt hat, dass sie mir vertraut – ich erkenne eine skeptische große Schwester, wenn ich eine vor mir habe, und ganz
Weitere Kostenlose Bücher