Goldstück: Roman (German Edition)
aussprechen. »Ich hab’s eben gerade erst erfahren, das ist ja schrecklich!«
In diesem Moment ist mir klar, was los ist – irgendjemand muss Gunnar von Kikis Tod erzählt haben. Ich räuspere mich.
»Ja, es ist furchtbar, aber leider wahr«, bringe ich hervor.
Gunnar schiebt mich ein Stück von sich weg und mustert mich eindringlich. Im Hintergrund sehe ich immer noch Daniel, dessen Mund mittlerweile offen steht.
»Ich hab zufällig Nadine getroffen, die hat es mir erzählt. Warum hast du dich denn nicht bei mir gemeldet?« Ein leichter Vorwurf schwingt in seiner Stimme mit.
»Du hast mir untersagt, das zu tun«, erinnere ich ihn.
»Aber doch nicht, wenn so etwas passiert!«, regt Gunnar sich auf. »Herrje, Maike«, schon wieder dieser Name! »Hältst du mich denn für einen Unmenschen? Ist doch wohl klar, dass ich in dieser Situation sofort für dich da gewesen wäre! Ich meine, ich weiß doch, wie sehr du Ki…«
»Lass uns nach nebenan gehen«, unterbreche ich Gunnar und schiebe ihn Richtung Büro, ehe er noch mehr Unheil anrichten kann. Zu Daniel rufe ich: »Bin gleich wieder da.«
Der steht immer noch völlig verdattert im Flur und weiß offenbar nicht, was er von der ganzen Sache halten soll. Das weiß ich zwar gerade auch nicht, aber mir ist klar, dass ich mal wieder knapp an einer Katastrophe entlangschramme.
»Lieb, dass du vorbeischaust«, meine ich, als Gunnar und ich allein in Kikis Büro sind. »Aber es wäre wirklich nicht nötig gewesen, mir geht es mittlerweile wieder ganz gut.«
»Das sehe ich«, erklärt Gunnar und klingt dabei irgendwie … ungehalten. »Wer ist denn der Kerl, der mir geöffnet hat?«
»Ich dachte, du seist gekommen, um mir dein Mitgefühl auszudrücken?«
»Bin ich auch«, erwidert er maulig. »Aber ich habe nun wirklich nicht damit gerechnet, dass mir irgendein Typ aufmacht.«
»Tja«, antworte ich lapidar, »ich habe damals auch nicht damit gerechnet, dass du mit irgendeiner anderen Tussi nach Venedig fliegst.«
»Wer sagt denn, dass ich da mit einer anderen Tussi war?«
Ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. »Etwa nicht? Du bist also ganz allein durch die Straßen Venedigs gewandert?«
»Nein«, gibt er schließlich zu. »Aber das hat sich längst erledigt«, erklärt er dann. »Trotzdem frage ich mich, weshalb du mich nicht angerufen und mir erzählt hast, was mit Kiki passiert ist. Ich kannte sie immerhin auch recht gut.«
»Gunnar«, meine ich, »du kanntest sie über mich. Aber sie war keine enge Freundin von dir.«
»Das nicht«, gibt Gunnar mir recht, »aber ich hätte wenigstens für dich da sein können.« Ich seufze.
»Das ist echt lieb von dir. Glaub mir, ich hab’s auch so ganz gut geschafft.«
»Echt?«, stellt Gunnar verwundert fest. »Das wäre, ehrlich gesagt, das erste Mal, dass du etwas schaffst, ohne Gott und die Welt zu bemühen.«
Ich stutze. »So siehst du mich?«, frage ich nach.
Er zuckt mit den Schultern. »Das weißt du doch selbst, oder?«
»Was weiß ich selbst?«
»Während wir zusammen waren, hast du immer alles auf mir abgeladen«, erklärt er. »Egal ob du schlechte Laune hattest, dein Studium mal wieder scheiße lief oder dein Job dich angenervt hat – immer ist alles bei mir gelandet.«
»War das so?«, frage ich nach.
»Schon irgendwie. Deshalb war auch irgendwann der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr konnte.«
Ich muss fast ein bisschen schmunzeln. »Weißt du«, meine ich dann, »seitdem ist ganz schön viel passiert, ich habe das Gefühl, eine andere zu sein.«
Er betrachtet mich nachdenklich. »Hm«, sagt er dann. »Du scheinst dich tatsächlich sehr verändert zu haben, siehst sogar irgendwie anders aus.«
»Hab ich gar nicht so sehr«, meine ich. »Aber um mich herum hat sich ziemlich viel verändert.«
»Das kann ich mir vorstellen«, antwortet Gunnar. »Und es geht dir wirklich gut?«
Ich nicke. »Ja. Ich bin beinahe … glücklich.«
»Was heißt beinahe? Bist du mit dem da draußen …«
»Ja«, unterbreche ich ihn. »Der da draußen heißt Daniel, und ich bin sehr verliebt in ihn.«
Gunnar scheint einen Moment zu überlegen. »Warum bist du dann nur beinahe glücklich?«
Ich seufze. »Na, zum einen habe ich natürlich noch daran zu knabbern, was mit Kiki passiert ist, ist ja klar.«
»Und zum anderen?«
Täusche ich mich, oder klingt da so etwas wie Hoffnung in Gunnars Stimme mit? Ist er am Ende vielleicht doch nicht nur gekommen, um mir zu kondolieren, sondern hat darauf
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