Goldstück: Roman (German Edition)
Frau nichts von der Wärme aus, die bei Daniel oder Dorothee zu spüren ist.
Mein Liebster erstarrt bei ihrem Anblick von jetzt auf gleich, und ihm weicht alle Farbe aus dem Gesicht. Er räuspert sich. »Sarah.« Seine Stimme klingt angespannt.
»Hallo, Daniel.« Sie lächelt. »Was für ein Zufall, dich hier zu treffen!«
»Kein sonderlich großer Zufall, wenn man bedenkt, dass das hier mein Lieblingsrestaurant ist«, gibt er böse zurück. Mir ist, als wäre die Zimmertemperatur plötzlich um mindestens zehn Grad Celsius gesunken. Wer ist diese Frau? Und weshalb starrt Daniel sie so feindselig an? »Ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist«, presst mein Freund jetzt hervor.
»Doch, das bin ich«, erwidert sie gelassen. »Seit letzter Woche. Ich wollte dich auch schon anrufen, aber dann dachte ich mir, dass wir uns am Montag ja sowieso in der Firma sehen.«
»Du fängst wieder bei uns an?« Daniel klingt regelrecht entgeistert.
»Ja«, bestätigt Sarah, »es war eine kurzfristige Entscheidung des Vorstandes, mich aus London zurückzuholen.«
»Ach?« Daniel klingt ironisch. »Und es macht dir gar nichts aus, England einfach so zu verlassen?«
»Im Gegenteil«, erwidert sie, »ich bin sehr glücklich, wieder in Hamburg zu sein.«
Die beiden starren sich an, und ich habe den Eindruck, dass da irgendwas zwischen den Zeilen mitschwingt, das ich nicht ganz verstehe.
»Dann sind deine Londoner Projekte wohl abgeschlossen?«, hakt Daniel nach.
In der Tat, hier schwingt so einiges zwischen den Zeilen mit.
»Vollkommen, ich bin ganz und gar frei für neue Aufgaben.«
»Aber«, bellt Daniel sie nahezu an, »bilde dir bloß nicht ein, dass hier alles wieder so läuft wie früher.«
Sarah lacht auf. »Aber, aber – natürlich tue ich das nicht. Es wird selbstverständlich noch viel besser laufen als früher.«
»Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.«
»Ich denke, wir werden es sehen.« Jetzt wendet Sarah sich mir zu und betrachtet mich interessiert. »Willst du mir deine Begleitung nicht vorstellen?«, fragt sie.
»Natürlich.« Dieses »natürlich« klingt allerdings nach dem genauen Gegenteil. »Kirsten, das ist Sarah, Sarah, das ist Kirsten.«
Sie streckt mir ihre grazile Hand entgegen, ich schüttele sie und habe sofort das Gefühl, dass ich dagegen eine riesige Pranke habe.
»Meine Freundin«, schiebt Daniel noch hinterher, und ich meine, ein kurzes Flackern in Sarahs Augen wahrzunehmen.
»Angenehm. Sarah Beckstein«, sagt sie dann und fügt hinzu: »In meinen Kreisen ist es üblich, sich mit vollem Namen bekannt zu machen.« Allein die Art und Weise, wie sie spricht, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.
»Kirsten Schäfer«, gebe ich unsicher zurück.
»Kirsten Schäfer also«, wiederholt sie meinen Namen, dabei verengen sich ihre Augen zu zwei Schlitzen, und ich muss mich beherrschen, um nicht nervös auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. »Und?«, will Sarah an Daniel gewandt wissen. »Wo habt ihr zwei Hübschen euch kennengelernt? Etwa auch bei einer internen Fortbildung?« Sie lässt ein perlendes Lachen erklingen.
»Nein«, sagt Daniel. »Kirsten ist selbständiger Coach, sie hat mit der Firma nichts zu tun. Ich hatte ein Seminar bei ihr gebucht.«
»Coach also?« Noch so ein Blick, und ich falle tot um, sie scheint mich mit ihren Augen zu durchbohren. »Sehr gut«, stellt sie dann fest. »Bürolieben sind sowieso immer so kompliziert und enden selten gut, nicht wahr?« Jetzt richtet sie ihren Blick wieder direkt auf Daniel, der allerdings eisern schweigt. »Tja, dann wünsche ich euch zwei Turteltauben noch einen schönen Abend«, flötet Sarah, bevor sie an unserem Tisch vorbeischwebt und im hinteren Teil des Restaurants verschwindet.
Daniel und ich bleiben schweigend zurück, und in meinem Kopf geht es drunter und drüber.
»Wer war das?«, traue ich mich schließlich zu fragen.
»Komm«, gibt Daniel anstelle einer Antwort zurück. »Lass uns gehen, mir ist der Appetit vergangen.«
Er winkt den Ober heran, bestellt unser Essen ab und zahlt die Flasche Wasser, die wir nicht mal ausgetrunken haben. Dann schleift er mich an der Hand hinter sich her aus dem Lokal. Ich bin zu perplex, um irgendetwas zu sagen, noch immer habe ich Sarahs Blick im Kopf. Und der war im Gegensatz zu Daniels schokobraunen Augen kein bisschen warm, sondern eiskalt.
Während wir nebeneinander im Auto sitzen und Daniel mich nach Hause fährt, reden wir kein Wort miteinander. Ich
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