Goldstück: Roman (German Edition)
aussieht.
»Ausstehende Miete?«, gebe ich mich ahnungslos, obwohl mir natürlich klar ist, dass das keinen Sinn macht.
»Versuchen Sie nicht, mich für blöd zu verkaufen«, blafft mich Tiedenpuhl prompt an. »Sie wissen genau, dass Sie bereits mit zwei Monatsmieten im Rückstand sind!«
»Äh, echt? Zwei Mieten? Das kann eigentlich gar nicht sein.«
»Genau«, Tiedenpuhl nickt, »das sehe ich ebenso: Das kann eigentlich nicht sein, dass jemand meine Wohnungen besetzt.«
»Also«, gebe ich mich betont empört, »von ›besetzen‹ kann ja wohl keine Rede sein. Und von ›Wohnungen‹ schon gar nicht, ist ja nur eine und …« Ein böser Blick von ihm bringt mich zum Schweigen.
»Ich sag Ihnen mal was, Frau Schäfer – das hier ist ein Gewerbeobjekt. Wenn die Miete nicht pünktlich kommt, kann ich sofort kündigen. Glauben Sie mir, das werde ich auch tun, wenn Sie nicht endlich zahlen.«
»Aber, aber das können Sie doch nicht machen!«
»Und wie ich das kann. Ich bin schließlich nicht die Wohlfahrt.«
»Herr Tiedenpuhl«, sage ich und versuche, einen mitleider-regenden Ton anzuschlagen, »meine Cousine ist erst vor kurzem gestorben. Ich muss mir doch erst einmal einen Überblick über die finanzielle Lage verschaffen. Das geht nicht so schnell.«
Tiedenpuhl zuckt mit den Schultern. »Das tut mir natürlich leid mit Ihrer Cousine.« Tatsächlich wirkt er gerade nahezu betreten. »Glauben Sie mir, ich habe Fräulein Schäfer immer sehr gemocht und zu schätzen gewusst. Sie war eine angenehme Mieterin und hat nicht ein einziges Mal eine Zahlung versäumt.« Jetzt wandelt sich sein Blick von betreten zu bedauernd, und ich bin mir gerade ziemlich sicher, was er von dem anderen Fräulein Schäfer – also mir – als Mieterin hält. »Aber auch, wenn es mir wirklich sehr leidtut, kann ich auf meine Einnahmen nicht verzichten. Bisher stehen schon tausendachthundert Euro Miete aus, ich bin schließlich keine Bank!«
»Sie haben doch noch unsere Kaution«, werfe ich ein und freue mich, dass mir das trotz meiner Panik eingefallen ist.
»Ja«, gibt er mir recht. »Damit wären die zwei Monate gedeckt. Aber der nächste Erste steht vor der Tür – und was ist dann? Wie lange soll ich dann warten, bis Sie wieder flüssig sind? Wenn überhaupt, das kann ich ja nicht wissen. Am Ende stehe ich mit einem riesigen Verlust da. Nee, nee, Frau Schäfer, nicht mit mir. Entweder Sie zahlen sofort Ihren Rückstand, oder Sie müssen ausziehen.«
Mist, was mache ich nur? Wenn der mich wirklich rausschmeißt, wo soll ich denn hin? Aber tausendachthundert Euro habe ich auch nicht, so viel steht fest. Ich könnte meine Eltern fragen. Aber die würden darauf bestehen, dass ich wieder bei ihnen wohne. Da schlafe ich lieber unter einer Brücke, so viel ist sicher. Die Idee, die zwei vorderen Räume unterzuvermieten, ist auch nicht so schlecht, jedenfalls, wenn Tiedenpuhl dem zustimmt. Aber einerseits sagt mir gerade mein Bauch, dass dieser Moment nicht der optimale ist, um meinen Vermieter danach zu fragen, und andererseits geht das natürlich auch nicht so schnell, da muss ich erst einmal in Ruhe jemanden suchen. Fest steht: Ich brauche ein bisschen Zeit.
»Herr Tiedenpuhl, ich verstehe, dass Sie sauer sind. Aber ich verspreche, ich bringe das alles wieder in Ordnung. Könnte ich nicht erst einmal einen Teil bezahlen?«
Tiedenpuhl guckt unschlüssig. Dann kratzt er sich am Kopf. »Na gut«, willigt er gedehnt ein, »sagen wir, tausend Euro als Anzahlung.«
Utopisch! So wird das nichts.
»Also, ich hatte eher an zweihundert gedacht.« Die habe ich zwar auch nicht, aber vielleicht leiht mir Roger was. Der hat mir schließlich einen Teil des Unglücks eingebrockt.
»Zweihundert? Nee, das ist Quatsch. Unter achthundert kündige ich.«
»Vierhundert?« Ich gebe meinen schönsten Augenaufschlag.
Tiedenpuhl guckt noch unschlüssiger. Vermutlich überlegt er gerade, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er von mir noch die gesamte Summe und die nächsten Mieten bekommt. »Einverstanden«, spricht er die erlösenden Worte. »Sechshundert reichen fürs Erste. Aber spätestens Montag will ich das Geld haben, und für den Rest gebe ich Ihnen zwei Wochen.«
»Montag?«, rufe ich entsetzt aus. »Heute ist schon Donnerstag!«
»Ja«, stellt er fest, »und nächsten Mittwoch fängt ein neuer Monat an, da kommen dann noch einmal neunhundert Euro dazu.«
»Äh«, stottere ich, »ich könnte vielleicht …«
»Das ist mein
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