Goldstück: Roman (German Edition)
letztes Wort«, unterbricht er mich. »Sechshundert am Montag und bis Mitte des Monats die restlichen Mietschulden sowie die neunhundert Euro für den Juni.«
»Einverstanden«, bringe ich ermattet hervor.
»Gut, Frau Schäfer«, er streckt mir seine schwielige Hand entgegen, »dann schlagen Sie ein.«
Ich schüttele seine Hand und gebe mir Mühe, einen möglichst selbstsicheren Eindruck zu machen. Innerlich hat aber schon längst die nackte Panik von mir Besitz ergriffen. Nie im Leben schaffe ich es, so viel Geld in so kurzer Zeit aufzutreiben. Noch während ich hinter meinem Vermieter die Tür schließe, versuche ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich ebenjene Tür nur noch von außen betrachten darf, weil ich mitsamt meinen Klamotten auf der Straße sitze.
Ich gehe in die Küche und koche mir einen Kaffee, dann setze ich mich hin, um meine Lage noch einmal in aller Ruhe zu durchdenken. Vielleicht könnte ich Onkel Jürgen und Tante Simone bitten, mir das Geld übergangsweise zu leihen. Aber das möchte ich eigentlich nur tun, wenn mir nun gar nichts ande
res einfällt. Sie in dieser Situation um Geld anzuhauen wäre mir sehr unangenehm, außerdem möchte ich nicht zugeben, dass mich ein Betrag von sechshundert Euro schon vor größere Probleme stellt. Wahrscheinlich denken die beiden, dass Kiki und ich uns die Miete immer schwesterlich geteilt haben.
Egal, was die beiden denken – im Grunde genommen ist es mir vor mir selbst peinlich, dass ich in meinem Alter so chronisch blank bin, ohne dafür einen einleuchtenden Grund zu haben. Ich muss das hier endlich mal alleine schaffen, es wird wirklich höchste Zeit, dass ich meine Probleme ohne fremde Hilfe in den Griff bekomme! Mist. Was mache ich nur? Bis Montag werde ich auch keinen potenziellen Mitbewohner auftreiben, und außer Prostitution fällt mir nichts ein, womit ich übers Wochenende so viel Geld verdienen könnte.
»Ach, Kiki«, seufze ich laut, »wenn du doch bloß noch hier wärst, du wüsstest bestimmt sofort eine Lösung.« Das heißt, wenn Kiki noch hier wäre, gäbe es diesen ganzen Schlamassel überhaupt nicht.
Nachdenklich wandere ich rüber ins Wohnzimmer, lasse mich aufs Sofa sinken und nippe an meinem Kaffee, obwohl mir momentan mal wieder eher nach Rotwein als nach Koffein wäre. Aber wenigstens da will ich standhaft bleiben, nachdem von meinem Plan von heute früh, das Ruder mit einem Ruck rumzureißen, nicht allzu viel übrig geblieben ist. Ich schnappe mir den Zettel mit meinen Wünschen. Keine Rückschläge und Katastrophen mehr, dass ich nicht lache! Wenn das hier keine Katastrophe und kein Rückschlag ist, weiß ich auch nicht, wie so etwas aussehen soll. Das Klingeln des Telefons reißt mich aus meinen Gedanken.
»Schäfer?«, melde ich mich.
»Ich bin’s, Nadine.« Schon wieder klingt sie erstickt, so als hätte sie gerade geweint.
»Und?«, versuche ich trotz meiner düsteren Stimmung ei
nigermaßen aufmunternd zu klingen. »Bist du für heute im Studio fertig?«
»Nicht nur für heute«, erklingt es vom anderen Ende der Leitung. Dann bricht Nadine, zum zweiten Mal an diesem Tag, in haltloses Weinen aus.
»Was soll das heißen, du brauchst ab sofort nicht mehr zu kommen?«
Eine Viertelstunde später sitze ich mit Nadine im »Alex« in der Osterstraße und habe uns – Vorsätze hin, Vorsätze her – erst einmal zwei Gläser Wein bestellt. Die Neuigkeiten meiner Kollegin sind ohne ein alkoholisches Kaltgetränk nun wirklich nicht zu verdauen.
»Das heißt, was es heißt«, erwidert sie. »Als ich mich vorhin verabschiedet habe, hat Roger mir erklärt, dass er mich nicht mehr beschäftigen kann und ich deshalb nicht mehr zu kommen brauche.«
»Aber wieso denn so plötzlich?«, wundere ich mich. »Der Laden muss doch in Anbetracht der Wetterlage ganz gut laufen.«
»Tut er auch. Aber Roger meinte, da du wieder da bist und jetzt auch am Umsatz beteiligt wirst, müsse er an anderer Stelle was einsparen. Tja, und diese andere Stelle bin dann wohl ich.«
»So ein Arschloch!«, rege ich mich auf. »Der denkt ja wohl nur an die Kohle! Aber ich sag dir was«, ich hole tief Luft, »da mache ich nicht mit! Gleich morgen früh gehe ich hin und sage ihm, dass ich dann auch nicht mehr für ihn arbeite.«
»Das ist doch Quatsch«, widerspricht Nadine. »Davon hat keine von uns was. Außer dass wir dann beide ohne Job dastehen.«
»Ist mir egal, für so einen Idioten will ich gar
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