Goldstück: Roman (German Edition)
nicht mehr arbeiten.«
»Das ist wirklich sehr süß von dir, echt! Aber ich will nicht, dass du meinetwegen alles hinschmeißt.«
»Alles hinschmeißen?«, schnaube ich. »Was schmeiße ich
denn so Großartiges hin? Eine miese Arbeit für einen miesen Typen, das ist meiner Meinung nach kein besonders großer Verlust.«
»Immerhin wirst du am Umsatz beteiligt, und in den letzten Wochen hat der Laden richtig gebrummt, da wird schon was zusammenkommen.«
»Trotzdem«, meine ich, »so einfach können wir Roger nicht davonkommen lassen.« Ich denke einen Moment nach. »Und überhaupt, was ist denn mit den Kunden, die sich von dir immer die Nägel haben machen lassen? Das kann ich wohl kaum übernehmen.«
»Ach, die«, Nadine macht eine wegwerfende Handbewegung, »du weißt doch selbst, dass so gut wie niemand diesen Zusatzservice«, sie spricht das Wort betont ironisch aus, »in Anspruch genommen hat. Die meiste Zeit war ich ja mehr mit meinen eigenen Nägeln beschäftigt.« Sie lächelt und hält mir ihre frisch manikürten Hände vor die Nase – heute sind sie extralang und mit einem wilden Blumenmuster verziert. Ich verzichte darauf, meine modische Meinung dazu abzugeben, denn das wäre wohl kaum der richtige Zeitpunkt dafür.
»Wie wäre es denn«, denke ich weiter laut nach, »wenn ich Roger sage, dass ich auf die Umsatzbeteiligung verzichte, damit du weiter bei ihm arbeiten kannst?«
»Aber dann bekommst du ja auch wieder nur diesen miesen Stundenlohn«, gibt Nadine zu bedenken. Trotzdem höre ich, wie ein kleines bisschen Hoffnung in ihrer Stimme mitschwingt.
»Ach«, sage ich, »bloß weil in den letzten Wochen schlechtes Wetter war, heißt das nicht, dass es weiterhin so bleibt. Vielleicht wird es ja doch noch richtig Sommer, und dann stehe ich plötzlich wieder ganz blöd da.«
»Hm, ich weiß nicht«, meint Nadine zögerlich. »Ich will auch nicht, dass du für mich auf eine Chance verzichtest.«
»Also, eine sooo großartige Chance ist das nun wirklich nicht. Außerdem hast du schon recht, dass ich mir auf Dauer etwas anderes suchen sollte. Sobald ich eine Alternative habe, bin ich eh weg.«
»Meinst du wirklich?« Ich nicke. »Ach, Maike!« Sie springt auf, fegt dabei fast ein Weinglas vom Tisch und fällt mir um den Hals. »Das ist so lieb von dir, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.« Schon fängt sie erneut an zu schluchzen.
»Ist doch kein Problem«, sage ich und tätschele ihr mit einer Hand den Rücken. »In solchen Zeiten muss man zusammenhalten.« Nadine setzt sich wieder auf ihren Platz und seufzt.
»Was für Zeiten das sind!«, stellt sie fest. »Wenn ich an den ganzen Horoskop-Unsinn glauben würde, würde ich denken, die Sterne stehen für uns gerade nicht sonderlich gut.«
»Das kannst du laut sagen.« Mit einem Mal spüre ich, wie mir ebenfalls die Tränen in die Augen steigen, weil ich plötzlich ganz stark an meine Cousine denken muss. Kiki, mit ihrem unerschütterlichen Glauben ans Schicksal, mit ihrem Zweckoptimismus, der sie nie daran zweifeln ließ, dass selbst die größten Rückschläge für irgendetwas gut sind. Bei dem Gedanken muss ich kichern. Keine Katastrophen und Rückschläge mehr, das hat ja super geklappt.
»Was ist so lustig?«, will Nadine wissen.
»Ach, nichts Besonderes«, meine ich und spiele dabei gedankenverloren mit dem Bettelarmband an meinem Handgelenk.
»Du trägst das Armband wieder, das Kiki dir geschenkt hat?«
Ich nicke. »Ja, Stefan war gestern da, hat mir geholfen, in der Wohnung Klarschiff zu machen, und dabei das Armband unter Kikis Bett gefunden.« Ich erinnere mich an meinen Geburtstag, als ich es ihr vor die Füße gepfeffert habe und anschließend zu Nadine abgerauscht bin. Scheint schon eine Ewigkeit her zu sein, so viel ist seit diesem Abend passiert.
Dann erzähle ich Nadine, die bisher nur wusste, dass ich mich mit Kiki wegen Stefans geplantem Einzug gestritten hatte, die ganze Geschichte. Denn den Teil, dass ich durch mein ständiges Gejammer und meine Schwarzseherei wohl auch alles andere als eine angenehme Gesellschaft war, habe ich damals natürlich weggelassen und mich lediglich in selbstgerechtem »Die Welt ist so gemein zu mir« gesuhlt. Natürlich hatte Nadine mir recht gegeben, dass es wirklich nicht nett ist, wenn Kiki und Stefan hinter meinem Rücken Pläne schmieden, die mich auch betreffen. Davon, dass Kiki aus Rücksichtnahme noch warten wollte, bis es mir wieder bessergeht, habe ich kein Sterbenswörtchen
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